Dienstag, 21. November 2017

Eher gnädig

Ist die Ehe eine Gnade oder wäre das zu gnädig?

Manche Ehen dauern ewig lang, dann halten die übrig gebliebenen sogar nach dem Tod des anderen, wenn dieser also nichts mehr ist, an der Gewohnheit emotional fest. Queen Elisabeth II. feiert heute mit Prinz Philip, dem Duke of Edinburgh ihre Gnadenhochzeit. Das sind 70 Jahre. Sie heiratete den Prinzen von Griechenland mit deutschen Wurzeln in der Pfalz zwei  Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, vielleicht nicht der beste Zeitpunkt, um Engländer von der Liebe zu einem halben Deutschen zu überzeugen, auch wenn seine deutschen Vorfahren mütterlicherseits aus dem Pfälzer Geschlecht Battenberg sich als britische Seelords bereits Mountbatten nannte, wie das englische Königshaus, das eigentlich Sachsen-Coburg-Gotha heißt, sich im Ersten Weltkrieg Windsor nannte. Unter den Mounbattens wiederun waren nicht nur große Admiräle sondern auch ein indischer Vizekönig, was die Partie doch im englischen Sinne wieder aufwertete.

Der Prinzgemahl der Königin steht stets in der 2. Reihe - ob ihm das gefällt oder nicht, die Königin hat den Vorrang bei jedem offiziellen Anlass. Ob es darum intern bei den Windsors zuhause umgekehrt zuging, Philip zuhause die Hosen in jedem Sinne anhatte ist unklar, Charles schien früher unter der bekannten scharfen und ironischen Zunge seines Vaters, die sich mit bissiger Ironie verband, gelitten zu haben, während sein Enkel William und Harry ihn als liebevollen Großvater kennen und schätzen lernten, war er in der Öffentlichkeit auch für seine oft sehr grenzwertigen Witze und Sprüche bekannt, die alles verspotten konnten - so war er selbst eine ironische Existenz mit viel Humor, bevor er sich vor kurzem aus der Öffentlichkeit zurückzog.

Damit in manchem ein Kontrapunkt zur auch formell steifen Queen, die stets bemüht war ihre Rolle hundert Prozent perfekt zu erfüllen ohne viel Gefühl zu zeigen, königlich zu bleiben. Nun hat dieses kontrastreiche Paar es geschafft die seltene Gnadenhochzeit zu erreichen, also über 70 Jahre verheiratet zu sein. Ob das der Kanzlerin und Herrn Sauer auch gelingt, ist noch offen - zumindest ist nicht zu vermuten, dass sie in diesem Alter noch im Amt ist, egal wie die Wahl nun ausgeht, in das sie aber auch nicht hineingeboren wurde als Pfarrerstochter, die in der DDR aufwuchs, die ihr Vater als er aus Hamburg, gen Osten ging, noch naiv für das bessere Deutschland hielt.

Habe bei meinen Großeltern auf beiden Seiten die Goldene Hochzeit miterlebt, also die 50 Jahre Jubiläum der eigenen Hochzeit. Beide hatten den Krieg für längere Zeit getrennt überstanden, bei der mütterlichen Linie hatte der Großvater in russischer Kriegsgefangenschaft irgendwo in der Ukraine oder war es in Sibirien, die vielen Jahre wohl auch nur darum überlebt, weil er eine Liaison mit der Lagerzahnärztin hatte, die von ihm lernte und ihm dafür Gemüse, Obst und wohl auch Liebe gab.

Angeblich hatten die Großeltern seitdem, als mein Großvater nach über zehn Jahren als Spätheimkehrer zurückkehrte, getrennte Schlafzimmer, sprich keinen Sex mehr - das dürften nach dem Krieg bis zu seinem Tod über vierzig Jahre noch gewesen sein, eigentlich sogar über 50 Jahre vom Kriegsende bis zu seinem Tod. Dennoch verstanden sie sich gut, hatten einen großen Freundeskreis, spielten zusammen Britsch und Tennis, machten eine Kreuzfahrt auf der MS Europa im Jahr und waren zwischendurch in der Traube Tonbach.

Sie hatten zwei Kinder, die sie mit unterschiedlich viel Liebe großzogen, meine Mutter war der Liebling, ihr eher nach dem Vater kommender anfangs kränklicher Bruder das ungeliebte zweite Kind, das, 1943 geboren, seinen Vater zum ersten mal bewusst sah, als er bereits fast  zehn Jahre als, was wohl viel über deren erwartbares späteres Verhältnis schon verrät, auch wenn oder weil sie sich in vielen so ähnlich wurden.

Glaube meine Eltern waren bemüht gerechter zu sein. Aber dennoch war ich mir meiner Sonderrolle als ältester Sohn, also Stammhalter und Liebling auch des Großvaters wohl bewusst, der seine Gunst gerne ungerecht verteilte. Der Sex spielte bei ihnen nach der Zeugung meiner beiden Schwestern  wohl auch keine so große Rolle mehr in ihrer Beziehung, die aber gerade im Alter wieder für alle überraschend sehr liebevoll zärtlich wurde, was mir gut gefällt,  als Aussicht des gemeinsamen Alters - was für Zyklen die Zuneigung auch nimmt, beobachte ich bei meinen Eltern wie Großeltern und den noch mit ihrer ersten Frau verheirateten Brüdern meines Vaters, was immerhin, ihn mitgezählt ¾ der Familie sind und also eher überdurchschnittlich. Im Alter, wenn es hält, werden viele wieder sehr liebevoll und das finde ich doch sehr beruhigend.

Vielleicht ist das erschreckende Bewusstsein des nahen Endes, was gnädiger im Umgang werden lässt oder gar echte Reife, die ich aber niemand ungefragt unterschieben möchte. Weiß es nicht so genau, da ich mich mit meinen nicht mal fünfzig noch sehr weit davon entfernt fühle. Abnehmende Lust kann ich mir mit meiner jungen wunderschönen Frau noch überhaupt nicht vorstellen, es nicht auch mehrmals täglich zu tun, käme uns schon komisch vor. Denke ich an die Eltern meines Vaters, die auch noch mit über achtzig lächelnd und zärtlich scherzend im Schlafzimmer verschwanden, denke ich mir eher, dass es so wird und bleibt - aber, können wir das beeinflussen, folgen wir in solchen Fragen nicht der Natur und erlernten Mustern?

Folge ich der rein statistischen Wahrscheinlichkeit, spricht manches dafür, dass ich, ähnlich wie mein Großvater mit seiner immerhin auch 7 ½ Jahre  jüngeren Frau, meiner geliebten Großmutter, ein schönes zärtliches Eheleben führen werde, da sich diese und meine Großmutter vom Wesen her nicht völlig unähnlich sind und ich, ähnlich wie mein Großvater immer die Frauen liebte, bis ich die Richtige fand und damit glücklich wurde. Ihm wurden bis zu hundert Frauen nachgesagt, was ich angesichts seiner Zeit auch im Paris der goldenen 20er, wenn auch als eher mittelloser Student, für nicht so unwahrscheinlich halte und auch während seiner jungen Jahre als kaiserlicher Kadett in Lichterfelde soll er, sagen Gerüchte, ähnlich wie James Bond viel später in Eaton, seiner Frauengeschichten wegen ermahnt worden sein. Bedenke ich, dass der Krieg 1918 endete, mein Großvater bei der Auflösung der Anstalt 1919 also 15 war, wird er bis Ende der 30er Jahre, als er heiratete, noch Zeit genug gehabt haben. Hatte durch Verzögerungen und Unterbrechungen ein wenig mehr Zeit als mein Großvater aber was sind schon Zahlen vor der Macht der Gefühle?

Ist das ewige Zusammensein erstrebenswert oder führt es automatisch zum Ersterben der Lust?

Dies scheint unterschiedlich zu sein und liegt wohl immer am Wesen der Beteiligten. Wer es einmal hatte, hat höhere Chancen, es auch im Alter noch wichtig zu finden und zu genießen. Bedenke ich wie gering der Anteil derer ist, mit denen ich dies erleben durfte, es ist unter 10% aller Frauen, denen ich in meinem Leben begegnen durfte, ist es eher unwahrscheinlich und so habe ich auch früher schon in längeren Beziehungen häufiger ein Abnehmen der Lust beobachtet, die zur Gewohnheit wurde, außer in den seltenen Fällen völliger Erfüllung, die geteilt wurde.

Früher gab die Ehe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch jedem der Gatten auch juristisch den Anspruch auf Vollzug der Ehe. Vollzug wurde der eheliche Beischlaf, neudeutsch Sex, genannt. Heute ist dies relativiert und aufgehoben, die Vergewaltigung in der Ehe endlich strafbar, was bestimmt vielen Opfern geholfen hat. Die Impotenz der Männer nimmt zu, was angeblich auch am hohen Östrogengehalt im Trinkwasser liegen soll und damit auch das Interesse am Vollzug. Ob das die Ehen nun weniger haltbar macht oder gerade ihre Stabilität erhöht, weiß ich nicht zu sagen.

Zumindest fehlt dann die Institution des friedensstiftenden Beischlafs, die ohne viele Worte dafür mit umso lauterem Stöhnen, zur Versöhnung führt. Kann mir das gerade bei der Queen und Prinz Philip nicht bildlich vorstellen kann, was sicher auch an der Majestät IKH liegt wie am Alter der Beteiligten und meiner mangelnden Phantasie, kenne es jedoch aus Erfahrung und halte es für wesentlich nachhaltiger als die meisten lange Gespräche.

In meiner gerade Fernbeziehung zwischen Berlin und Dublin muss ich mich mehr mit Worten herumschlagen, die zwar auch bei immer möglicher Gelegenheit sehr erotisch werden können, doch fehlt eben der gemeinsame Vollzug, die wortlose Einigkeit in der Hingabe aneinander, die so viel mehr sagen kann als alle Worte und das macht die Suche nach Frieden im Konfliktfall nicht immer unbedingt leichter. Worte können keine Berührungen ersetzen, bloß rein fiktiv.

Die Ehe kann, wenn zwei ein Leben lang Lust aufeinander haben und sich zu genießen wissen, es aufregend miteinander bleibt, die organisierte Form eines guten Lebens sein. Sie wird aber auch nicht besser als das, was aus sich heraus ist, sondern institutionalisiert nur alles einschließlich des Sex, der heute als freier gilt, es aber in den seltensten Fällen ist, wo  nur ein eben Vollzugsakt stattfindet, auch wenn sich die Teilnehmer dabei indisch verrenken, nicht mehr wird.

Wer zufrieden mit dem ist, was sich fand, soll es bleiben, egal ob es höchsten Ansprüchen genügt oder nicht, wenn es nur den eigenen genügt. Anspruchslosigkeit ist eine Zier des Charakter in der Liebe und meist nur ein Elend in der Lust. Bei wem sich alles zum Glück findet, dem ist die Ehe eine Gnade, alle übrigen möge gnädig miteinander sein, womit am Ende obige Frage beantwortet wurde soweit es ging, es kommt eben immer auch auf das Gefühl dabei mehr noch als auf die Technik an, außer die Beteiligten können und wissen wie, dann hat auch gutes Handwerk seinen Platz im ehelichen Verkehr und da macht eben auch die Übung den Meister, wie alte Handwerkerweisheit lehrt.

jens tuengerthal 20.11.2017

1 Kommentar:

  1. Ich denke das es in einem Königshaus eher auf Sitte und Anstand ankommt, als auf Ehelichen Pflichten. Sich der Öffentlichkeit
    zeigen, als Paar ohne Tadel und Mängel !

    AntwortenLöschen