Donnerstag, 20. Juli 2017

Widersteher

Was ist politisch korrekte Erinnerung in der Demokratie?

Der 20. Juli ist nur ein Tag, ob er der wichtigste war, der militärische Widerstand allein zählt, streiten sich Historiker und politisch engagierte Zeitgenossen seit langem und es gilt als chic, den Widerstand zwar zu würdigen, aber dessen demokratische Qualität infrage zu stellen, den George Jünger und frühen Nationalsozialisten Stauffenberg für fragwürdig zu halten und so hat sich die politisch korrekte linke Seite des politischen Spektrums mit den alten Rechten wenn auch aus anderen Gründen vereint, die den Widerstand der Offiziere schon immer fragwürdig fanden. Letztere wehrten sich gegen den Ungehorsam, den sich kein deutscher Offizier zu schulden kommen lassen dürfe.

Groß in Szene gesetzt wurde Stauffenberg zuletzt in dem Film Operation Walküre, in dem, der nicht ohne Grund in Verruf geratene Tom Cruise, die Rolle des Helden Stauffenberg spielte und ihn so einem breiteren amerikanischen Publikum vorstellte. Ein Grund mehr für das linke und vermeintlich liberale Publikum sich doch mal wieder vom militärischen Widerstand zu distanzieren.

Was wollten die führenden Militärs, die während des Krieges als einzige ein Attentat realisieren konnten, danach wirklich?

Reichskanzler sollte Carl Friedrich Goerdeler werden, ein früherer DNVP Politiker, was Linke gern mit Nazi gleichsetzen, was aber real dessen Gegenteil war und der bis zur Übernahme der Macht durch die Nationalsozialisten noch Bürgermeister in Leipzig war. Von diesem Amt war er zurückgetreten nachdem Nazis das Mendelssohn-Bartholdy Denkmal in der Stadt geschändet hatten.

Kein Linker, kein Kommunist sondern ein national Konservativer war der vorgesehene Kopf der neuen Republik, die an vorige Weimarer Traditionen konstruktiv anknüpfen wollte, was all das Geschwätz von Stauffenbergs NSDAP Mitgliedschaft und seiner Fragwürdigkeit als George Jünger wohl in den Schatten stellt.

Es sollte kein Militär sondern ein ausgewiesener Zivilist, der seit den 30er Jahren im Ausland für den Widerstand gegen Hitler geworben hatte, zum Reichskanzler werden, darum das Attentat, was nur der letzte Versuch war, als reine Ehrensache einer elitären Offizierskaste abzutun, zeugt schlicht nur von Ahnungslosigkeit. Goerdeler hat dies Attentat wie viele Beteiligte den Kopf gekostet und nur weil dieser Widerstand logisch keine Kommunisten und sehr wenige Sozialdemokraten umfasste, weil es die in der Führung der Wehrmacht nicht gab, heißt dies nicht, es wäre undemokratisch gewesen oder weniger der Erinnerung wert.

Auch der spätere sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt trug die Uniform der Wehrmacht im Krieg und tat dies mit Stolz wie viele, die in diesem Land verblendet waren zu dieser Zeit. Er trug sie auch, weil Gehorsam ein Wert an sich war. Dies auch für einen Hanseaten wie Schmidt aber noch mehr für die Sprösslinge alter Offiziersfamilien unter denen sich viele alte Namen wie Kleist, Moltke, Yorck-Wartenburg fanden, deren Familien Preußen seit Jahrhunderten gehorsam und treu dienten.

So wurden viele der Männer um Beck und Stauffenberg groß, deren Ehrgefühl noch aus dem Kaiserreich stammte und für die Ungehorsam undenkbar war - wenn es auch schon bei Friedrich dem Großen das ehrenvolle Angedenken eines Offiziers gab, der den Widerstand und damit Ungnade wählte, wo Gehorsam keine Ehre mehr brachte, wie auf dem Grabstein von Johann Friedrich Adolf von der Marwitz steht, der den ganzen siebenjährigen Krieg lang der Kommandeur des Regimes Gendarmes war und die Plünderung der Hubertusburg verweigert hatte und über den Fontane schon so liebevoll erzählte. Dieser hatte die Ungnade gewählt und mit dieser rechneten auch die Offiziere, die den Führer angriffen, den Gehorsam verweigerten gegenüber dem Oberkommandierenden auf den der ganze NS Staat Deutschland zugeschnitten war.

Manche der linken Denker, wenn das nicht schon eine contra dictio an sich ist, meinen das Attentat käme viel zu spät, die Offiziere hätten zu lange gehorcht, wären eben doch die Verantwortlichen für den Vernichtungskrieg im Osten und die Wehrmachtausstellung von Jan Philipp Reemtsma hat uns die Verbrechen der Wehrmacht nur zu deutlich historisch vor Augen geführt. Da gibt es nichts schön zu reden und an diesen Verbrechen und an der Beteiligung am Vernichtungskrieg der Wehrmacht, der von Hitler so befohlen und gewollt war, hätte auch ein gelungener Widerstand nichts geändert.

Nur ist blind für die Wirklichkeit, wer übersieht, wie lang der Weg zum 20. Juli war, wie Joachim Fest auch sein Buch zum Staatsstreich einst untertitelte. Es begann bereits direkt nach der sogenannten Machtergreifung, eskalierte weiter in der Sudetenkrise, die nur durch die Nachgiebigkeit des britischen Kanzlers Chamberlain in München 1938 noch ein lang geplantes Attentat verhinderte, beinhaltet noch viele andere Versuche, in denen vor allem Henning von Tresckow, der auch um die Wolfsschanze eine wichtige Rolle spielte, immer mit dabei war, wie die auf deren Gütern dieses Hauptquatier in Ostpreußen lag, der mutige Graf Lehndorff und seine Frau, der Ribbentrop beherbergte und zugleich den Draht zum Widerstand hochhielt.

Einen Umsturz in einer totalitären Diktatur kann nur erfolgreich durchführen, wer die Mittel der Macht in den Händen hält. Das Deutsche Reich befand sich im Krieg mit seinen Nachbarn, die vorher Versuche der Widerständler noch einen separaten Frieden auszuhandeln, waren gescheitert. Den Krieg stoppen, einen zivilen Kanzler einsetzen, die Massenvernichtung beenden, konnten nur Personen mit direkten Draht zur militärischen Führung, zumal der Führerstaat völlig darauf zugeschnitten war.

Es gab auch in den Offizierskreisen Gegner eines Anschlags, die eine neue Dolchstoßlegende fürchteten, wie sie nach dem Ende des 1. Weltkrieges aufgekommen war und die solche gefährlichen Verführer wie Hitler stark gemacht hatte. Einer der führenden Köpfe dabei war Helmuth James von Moltke, dessen Kreisauer Kreis auf dem schlesischen Gut der Familie, für ein Deutschland nach Hitler und nach dem verlorenen Krieg plante, ein Bündnis von Adel über die Kirchen bis zu Sozialdemokraten und Gewerkschaften suchte, in dem auch etwa Dietrich Bonhoeffer verkehrte, der mit der Frau des anderen führenden Kopfes des Kreisauer Kreises Peter Graf Yorck von Wartenburg eng befreundet war noch aus Berliner Studienzeiten.

Der Widerstand auch des Militärs ist viel älter als der 20. Juli 1944 gewesen, umfasste ein weiteres Feld als Junker, die ihren König wieder wollten, sondern war getragen von vielfach preußischen Offizieren, die mit ihrer Ehre und ihrem Gewissen kämpften und wie Stauffenberg und andere bewusst ihr Leben für andere und ein besseres Deutschland riskierten. Marion Gräfin Dönhoff hat viel des falschen Bildes aus der rechten Ecke korrigiert, die von den ehrlosen Offizieren sprachen, die den Gehorsam verweigert hatten, auch mit ihrem großen Einsatz für die deutsch-polnische Begegnungsstätte auf dem ehemals moltkeschen Gut Kreisau. Dadurch wurde es eine zeitlang um die Erzkonservativen ruhiger und mit der Gedenkstätte im Bendlerblock in Berlin kam der Widerstand endlich in der Mitte der Gesellschaft an und es widerfuhr allen Beteiligten und auch anderen Gruppen endlich die ihnen in einer Demokratie gebührende Ehre.

Statt der rechten Ecke, außer den völlig verlorenen Nazis dort, raunen heute Linke gegen dies Gedenken, reden den militärischen Widerstand schlecht und klein mit dreisten Lügen, auf welche die Bezeichnung Fake News nur zu gut passt. Die neuen Rechten im Umfeld des AfD, mit zumindest fragwürdigem demokratischem Denken, versuchen dagegen den Widerstand und seine Ehre für sich zu missbrauchen, so fragwürdig dies angesichts rassistischer Politik auch ist. So wird von linker Seite bis heute verbreitet, der Widerstand der Offiziere sei nur ein Alibi gewesen, viel zu spät gekommen und hätte nur dem Schutz der Privilegien einer Elite gegolten.

Zugleich werden erwiesene Feinde der Demokratie wie Thälmann, Liebknecht und Luxemburg als Kultfiguren verehrt, weil die Köpfe dieser quasireligiösen Bewegung bis heute nicht in der Demokratie angekommen sind, was deutlich macht, wie schmal der Grat zwischen doppelter Moral und Gewalt auf der linken Seite des politischen Spektrums inzwischen ist, wo einerseits Politiker der Linken den Schwarzen Block verteidigen, dem sie teilweise selbst immer wieder angehören und auf der anderen Seite eine pseudo revolutionäre Rhetorik kultivieren, bei der sie sich als Antifaschisten gerieren, die zugleich die Totengräber der Weimarer Demokratie verehren und den militärischen Widerstand als ehrlos und verspätet formelhaft schlechtreden, weil sie entweder tatsächlich keine Ahnung von historischen Hintergründen haben oder einfach böswillig ihre politische Sekte verteidigen wollen.

Es findet sich dieses Denken zum heutigen Tag und seinem Gedenken bis weit ins demokratische Lager gerade unter Sozialdemokraten, die allerdings sachlich dann meist keine Ahnung haben, sondern an einer undemokratischen Rhetorik festhalten. Solange dieses linke Lager nicht klar abgegrenzt wird und die Lügen der Propaganda ein Ende haben, sollte für jeden Demokraten der Diskurs mit solchen Personen indiskutabel sein, wenn dieser Widerstand heute noch etwas wert sein soll, das Gedenken noch einen Sinn für die Zukunft der Demokratie hat, dann, wenn wir uns der historischen Wirklichkeit stellen, die Lügner offenbaren, die komplexe Geschichte vom langen Weg zum 20. Juli erzählen und diesen Tag nicht länger von ungebildeter linker Propaganda klein reden lassen, da die Beteiligten meist weder etwas von Goerdeler wissen, noch den Kontext der Taten kennen. Die Demokratie sollte es uns Wert sein auch die Versuche zu ihrer Rettung gebührend gegen traditionelle Feinde der Demokratie zu verteidigen.

jens tuengerthal 20.2017

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