Sonntag, 5. März 2017

Berlinleben 011

Im Adlon

Das erste mal ist immer aufregend, auch wenn es eigentlich nichts besonderes war, nur ein Pressetermin von George Soros, der sein Buch vorstellte und ein wenig vor der Hauptstadtpresse dazu referieren wollte.

Ein superreicher Investor ungarischer Abstammung, der in den USA zum Milliardär wurde und mit seinen Wetten gegen das englische Pfund mal eben eine Milliarde verdiente, die nur ein kleiner Teil seines Vermögens ist. Er unterstützt Bürgerbewegungen in Osteuropa mit seinem geschätzten Privatvermögen von 24,3 Milliarden US-Dollar. Seine Theorie der Reflexivität, die er in seinem Buch Alchemie der Finanzen genau beschreibt, stellt auf die Diskrepanz zwischen wahrgenommener und tatsächlicher Realität ab, bezieht sich auf seinen Lehrer den Philosophen Karl Popper und führt zu einem transparenten und erfolgreichen Engagement an den Finanzmärkten der Welt. Es ist das Gegenteil von Alchemie und Aberglauben. Sein Erfolg machte ihn zum Gegenstand wildester Verschwörungstheorien, in die immer auch der antisemitische Geist von der jüdischen Weltherrschaft hineinspielt und die noch stets den Wahn der Autoren eher offenbarten als Soros den kühlen Spekulanten eines illegalen Verhaltens zu überführen.

Soros setzte sich mit seinem Engagement seit den 70er Jahren massiv für eine offene Gesellschaft ein, ermöglichte schwarzen Studenten in Kapstadt das Studium mit Stipendien und unterstützte die Central European University mit Milliarden, um den Geist der offenen Gesellschaft im Sinne Poppers zu fördern. Beim Umbruch im ehemaligen Ostblock spielte er 1989/90 eine wichtige Rolle durch finanzielle und geistige Unterstützung der Freiheitsbewegungen. Sacharow warf ihm vor, die Republik Jugoslawien in eigenem Interesse durch Unterstützung der B92 Bewegung destabilisiert zu haben. Dagegen warf das Forbes Magazin ihm vor, den Machterhalt von Altkommunisten zu fördern. In die US-Politik griff er ein, um die Wiederwahl von Bush zu verhindern, dem er den falschen Irak Krieg vorwarf und den er für untragbar hielt. Er finanziert über die Soros Foundation auch Nichtregierungsorganisationen wie etwa Reporter ohne Grenzen.

Soros hielt die völlige Deregulierung der Märkte Anfang des Jahrtausends für falsch. Sie beruhe auf einer marktfundamentalistischen Ideologie aus der Ära Thatcher und Reagan, die nicht mehr in die Zeit passe und auf dem gleichen Denkfehler beruhe wie der Marxismus, da Märkte kein natürliches Gleichgewicht anstrebten. Seit 2009 investiert Soros massiv in erneuerbare Energien und fördert durch seine Stiftung ein Forschungsnetzwerk zur Klimapolitik. Wie Bill Gates und Warren Buffett versprach er einen Teil seines Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden. Der ungarische Präsident Orban warf Soros 2015 vor maßgeblich für die europäische Flüchtlingskrise verantwortlich zu sein. Ähnliche Vorwürfe erhob auch unter Berufung auf gehackte Mails die Jerusalem Post, weitere Belege dazu gibt es nicht. Russland wehrt sich massiv gegen den Einfluss der Stiftungen von Soros für eine offene Gesellschaft und klagt diese bis heute immer wieder an. Er war wohl massiv finanziell am Umsturz durch den Euromaidan in Kiew beteiligt, was er erst abstritt und später dann doch zugab, wie immer dies demokratisch zu bewerten ist, gefiel es den Russen überhaupt nicht.

Zuletzt unterstützte er den Wahlkampf von Hillary Clinton gegen Trump, den er einen Blender und Möchtegern-Diktator nannte, wofür aus heutiger Sicht immer mehr spricht, zeigte sich jedoch überzeugt, dass die starke amerikanische Demokratie ihn in die Schranken weisen werde.

Dies alles spielte 2001, als ich ihn mit J zusammen treffen sollte, noch keine Rolle. Er war als Mäzen der Demokraten in Osteuropa bekannt und galt als großer Förderer der Freiheit. J war der Filmproduzent und Autor, den ich beim Griechen am Kollwitzplatz kennengelernt hatte. Er war sehr an jüdischen Themen interessiert und immer wieder auch in diesem Bereich engagiert. Seine Idee war, einen Dokumentarfilm über den Menschen und Macher Soros zu drehen.

Arbeitete seit kurzem mit J zusammen und schrieb ein Konzeptpapier für den Film, der mir auch sehr reizvoll schien. Vom Film hatte ich keine Ahnung, aber J schätzte ich und warum nicht als Journalist auch mal in diesen Bereich hineinschnuppern, menschlich schätzten J und ich uns, auch wenn er für meine Liebe zu A weniger Verständnis hatte, die beiden waren schon am ersten Abend, an dem ich sie kennenlernte, etwas aneinandergeraten - aber er wollte ja mit mir und nicht mit ihr arbeiten und da Soros im Adlon residierte, fand auch die Buchvorstellung dort statt und wir bekamen neben der zahlreich anwesenden Presse einen Interviewtermin bei dem großen Investor und Mäzen der Demokratie.

Hatte immer ein gutes Bild von Soros gehabt, dass er sein Geld mit Spekulationen verdiente, fand ich nicht weiter anrüchig, es gab Märkte, Geld und anderes wurde gehandelt und also war nichts dagegen zu sagen, wenn einer seine Chancen dort nutzte, insbesondere nicht, wenn er sich zugleich auch sozial noch so engagierte. Dass der 1930 geborene inzwischen mit einer 45 Jahre jüngeren Frau verheiratet war, belächelte ich, machte es eben umgekehrt wie ich, meine ist 10 Jahre älter und bei ihm war es ja auch schon die dritte oder vierte Ehe. War gespannt auf diesen Mann, der auch schon so erfolgreich gegen Pfund und DM spekuliert hatte, auch wenn ihm das viel Hass einbrachte, weil er so über die Börse zumindest indirekt auch politischen Einfluss nahm.

Der Termin war also an sich schon spannend genug. Die Krone setzte ihm auf, dass er im Adlon stattfand. Dieser von vielen Mythen und Sagen umwobene Ort, der schon im Kaiserreich der Spielplatz und Präsentationsplatz der Reichen und Einflussreichen gewesen war, lag direkt am Pariser Platz. Im Krieg zerbombt, war es für Kempinski wiedererrichtet worden und zählt zu den großen Luxushotels in Deutschland. Mochte solche mondänen Häuser schon immer, kannte ein wenig das Parkhotel zu Bremen, die Traube im Schwarzwald und den Frankfurter Hof, zumindest von Familienfesten und aus Erzählungen meiner Mutter und meiner Großeltern. Sie atmen eine besondere Atmosphäre bis heute und das Thomas Mann wie der Feldmarschall Moltke dort gern zu Gast waren, gab ihnen noch mehr persönliche Nähe für mich. Auch Harry Graf Kessler speiste gerne dort und erwähnt in seinen Tagebüchern immer wieder das Adlon auch als Ort der Begegnung wie des Genusses.

Das Grundstück hatte der Geschäftsmann und Hotelier Lorenz Adlon 1905 gekauft und damit den Geburtsort eines der künftig besten Hotels Deutschlands gefunden. Auch der Kaiser war von der Idee eines Luxushotels begeistert und 1907 berichtete die Vossische Zeitung wie der Kaiser und die Kaiserin mit den Prinzen und Prinzessinnen den Hotelneubau besichtigten und Herrn Adlon ihre Anerkennung in der ehrendsten Weise ausgesprochen hätten.

Das Hotel passte sich vollkommen an den Platz an, nahm die klaren Linien des Brandenburger Tors auf und bildete mit dem Palais Arnim die Südostecke des schon damals Pariser Platzes. Er wollte dem Schloss keine Konkurrenz machen, dass durch die geschmacklosen Ergänzungen Wilhelms II. nur zum noch geschmackloseren Berliner Dom daneben passte, wie es Franz Hessel so treffend in seinen Flaneurgeschichten schrieb, sondern bildete von Anfang an einen Bau eigener Art, der mit klassizistischen Linien von Tor und Umgebung wie einigen Elementen des Jugendstil spielte. Lorenz Adlon war ein Ästhet.

Das Adlon wurde schon sehr bald zum Mythos in Berlin. Familien des Hochadels verkauften ihre Winterpalais um in den Suiten des Hotel Adlon zu residieren. Auch Kaiser Wilhelm II floh aus den zugigen Räumen des Schlosses gern in die gut geheizten Räume des Hotels, das auch zum inoffiziellen Gästehaus des Auswärtigen Amtes bald wurde. Europas Könige und Kaiser waren dort so zu Gast wie der Zar von Russland, indische Maharadschas, Edison, Ford, Rockefeller, Rathenau und Briand kamen regelmäßig. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Revolution änderte sich die Gästeliste. Die Hofgesellschaft war untergegangen, an ihre Stelle traten reiche Amerikaner. Charlie Chaplin kam dann dort unter wie Josephine Baker  und auch Marlene Dietrich, das Berliner Mädchen, schwärmte von der Atmosphäre des Hotels, in der alle Sprachen wild durcheinander schwirrten. Inzwischen galt das Adlon längst als Sehenswürdigkeit an sich, der Baedeker lobte insbesondere das sehr gute Weinrestaurant dort.

Während der NS-Zeit änderte sich die Rolle des Hotels, die Zahl der amerikanischen Besucher nahm ab, zwar residierte das Auswärtige Amt eine zeitlang in einem Seitenflügel und die Olympischen Spiele von 1936 brachten nochmal einen Aufschwung aber die große Zeit war in der Diktatur erstmal vorbei. Die nationalsozialistische Führung feierte ihre Feste und Empfänge lieber im Kaiserhof in der Wilhelmstraße und nicht am Pariser Platz wie von Louis Adlon gehofft, der das Hotel inzwischen mit seiner Frau Hedda führte. Vermutlich war den dumpf deutschtümelnden Nazis die Atmosphäre dort zu international und frei. Erst nach 1943 als der Kaiserhof den Bomben zum Opfer fiel, wurde das Adlon wieder stärker auch von der politischen Führung besucht. Es stand bis zum 2. Mai 1945, also bis Kriegsende noch unversehrt am Pariser Platz und wurde nur zeitweise als Lazarett genutzt. Erst in den Tagen danach brannte das von feiernden Rotarmisten besetzte Hotel aus ungeklärter Ursache ab. Wer die Folgen des Wodkakonsums kennt, wird sich vorstellen können, wo diese ungeklärten Umstände lagen. Die im Film dazu erzählte Geschichte vom versteckten SS-Mann ist auch sehr nett und trägt die Legenden weiter.

Der damalige Besitzer Louis Adlon wurde von Rotarmisten am 25. April 1945 in seinem Wohnhaus auf dem Gut bei Potsdam festgenommen und verstarb nach unklarer Odyssee am 7. Mai 1945 an Herzschwäche auf einer Straße in Falkensee. Seine Frau Hedda Adlon lebte noch bis 1967.

Berühmt für seine Küche schuf das Adlon zahlreiche Gerichte neu, zu denen etwa das Seezungenfilet Adlon oder das Kalbssteak Adlon gehörte. Mit Ende des Krieges endet die Geschichte des alten Adlon.

Nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung wurde von 1995 bis 1997 ein Neubau an der Stelle des alten Gebäudekomplexes errichtet. Genau diesen nun vier Jahre eingeweihten Komplex wollten wir besuchen, um Soros zu lauschen und ihn für unsere Idee zu begeistern. Der Neubau rekonstruierte nicht einfach den alten Gebäudekomplex, sondern war ein historisierender Entwurf, der sich an den Vorgänger anlehnte. Er nutzt die Gebäude des ehemaligen Adlon wie des vorhergehenden Kempinski auf dem benachbarten Grundstück, wobei ein Teil der Fläche an die quasi integrierte britische Botschaft abgegeben wurde. Das heutige Adlon hat bei nahezu gleicher Höhe eine Etage mehr, da es auch das Dachgeschoss für Zimmer nutzt. Im August 1997 wurde das Kempinski-Adlon noch von Roman Herzog eröffnet, wird inzwischen von amerikanischer und britischer Botschaft eingerahmt und hat die Akademie der Künste als schöne Nachbarin am Pariser Platz.

Von der Akademie und dem Land erwarben sie noch ein weiteres angrenzendes Grundstück zur Behrenstraße, in dem das Adlon Palais errichtet wurde mit Konferenzräumen, einem weiteren Ballsaal, Spa, Restaurants und einem Club. Das Adlon umschließt die britische Botschaft nun an drei Seiten auf einer Fläche von 8000 Quadratmetern bewirtschaftet es über alle Etagen eine Gebäudefläche von 58.700 Quadratmetern, ist also, wie wir es auch drehen, ziemlich groß, bedeutend und zentral gelegen. Neulich noch trafen sich Obama und Merkel da zum Abendessen und viele bekannte Gesichter residieren dort, gern von Touristen oder Berlinern um den Eingang herum bestaunt.

Weil im heutigen Rechtssystem möglichst kein Unternehmer oder Direktor mehr persönlich verantwortlich ist, wurden auch das Hotel Adlon eine GmbH, die wiederum eine hundertprozentige Tochter der Kempinski AG ist. Über die Finanzierung des Baus, dessen Millionenkosten hauptsächlich durch Anleger der Dresdner Bank aufgebracht wurde, ist lange gestritten worden, aufgrund enttäuschter Erwartungen, da der Fond die erwarteten Ausschüttungen nicht erbrachte und die frustrierten Anleger sich dann in der Schutzgemeinschaft der Adlon-Anleger zusammen taten und klagten.

Damit sind wir schon wieder über die Hotelgeschichte zu der des Abends gekommen, auch wenn diese Prozesse erst lange nach dem Interview begannen, steht Soros doch für erfolgreiches Investment in Fonds und gegen Währungen, mit dem er auch spekulativ seine Milliarden gewonnen hat. Die Art wie mit Geld jongliert wurde und was dabei alles verschachert worden ist, kann Grund zur Empörung vielleicht geben - ob sich mit moralischer Empörung am Handel mit Geld und Devisen etwas ändert, scheint dagegen mehr als fraglich.

Die Spekulation auf Lebensmittel oder andere Grundbedürfnisse der Menschen empört viele engagierte Menschen, die es andererseits völlig normal finden bei ihrem Händler auf dem Markt, um den Preis zu feilschen. Hörte neulich einen typischen Linken, der sich über die Unmoral der Banken empörte und die Verbrecher in Nadelstreifen und zugleich auf dem Flohmarkt, über den er gerade mit Freunden spazierte, hart um Bücher und Bilder mit den armen Händlern handelte, ihnen höchstens 1/10 des Geforderten bot und meist unter der Hälfte mit moralischem Druck handelseinig wurde, sich diebisch über seine guten Deals freute. So erscheint manches völlig normal, wenn es uns nahe liegt, die Summen kleiner sind, wird aber für ein Verbrechen gehalten, wenn die Summen und Gewinne größer werden.

Bin mir in meinem moralischen Urteil zu diesen Fragen nicht sicher, auch wenn ich früher schnell die Sprüche der Linken gegen die Deutsche Bank nachplapperte. Halte eine gesteuerte Wirtschaft für gefährlicher als den ungezügelten Kapitalismus, den Sozialismus für eine üble Diktatur und denke dennoch, dass Eigentum auch sozial verpflichtet und wir von einer schlichten Konfrontation zwischen bösen Banken und guten Armen keinen gesellschaftlichen Gewinn haben, dafür besser gezielt überlegen sollten, wo der Staat sinnvollerweise steuernd eingreift, um die Freiheit zu erhalten und gleichzeitig der Bildung von Monopolen vorzubeugen. Reichtum ist eine Last und ob Umverteilung nicht nur eine billige Neiddebatte auf Niveau des Vereins der Populisten genannt Linke bringt, sollte wohl überlegt werden. Andererseits muss die Frage, welcher Gewinn noch sozial vermittelbar ist, auch künftig diskutiert werden.

Wenn der Linke auf dem Flohmarkt, den Händler um 50% drückt, findet er das völlig normal, auch um mehr zu ringen, hat er kein schlechtes Gewissen. Kann auf Flohmärkten erfolgreich handeln, wenn es dringend und nötig ist, aber lieber sage ich einen Preis und dann werden wir uns einig oder nicht. Moralisch fühle ich mich unwohl, wenn ich den Preis zu sehr drücke, jemanden etwas für weniger abluchse als es, wie ich weiß, wert ist und das obwohl ich den Handel mit Aktien und ihren Derivaten nicht unmoralisch und die Diskussion darüber eher albern finde.

Wer Prozesse als Staat regeln will, kann dies durch Verbote oder Steuern. Etwas zu verbieten, braucht es gute Gründe in einer freien Gesellschaft, denke ich, auch wenn Linke gern alles verbieten, was ihnen moralisch nicht gefällt, umgekehrt aber staatliche Autorität gern infrage stellen. Steuern sind ein gutes Mittel, sofern sie nicht den Markt völlig verändern. Auf einem einheitlichen Binnenmarkt kann nicht einfach einer, ohne Folgen die Steuern erhöhen und auf dem grenzenlosen Handel der Banken im Internet wären solche Maßnahmen ohnehin relativ wirkungslos - dann werden eben bestimmte Gewinne erstmal aus diesem oder jenem Eiland steuerfrei geparkt, bis sie in Ruhe in die Heimat verschoben werden können.

Nationale moralische Regelungen im Banksektor sind relativer Humbug, wenn sie dazu führen, dass dann eben Gewinne und Verantwortung ausgelagert werden. Es braucht für künftige Staaten kluge und flexible Lösungen, die einerseits den Banken die Möglichkeit lassen Geld zu beschaffen, wo dies benötigt wird und dass dort, wo es sich eben am besten verdienen lässt. Das Geschäft mit Fonds und spekulativen Anleihen hat sich von der ökonomischen Realität weitgehend gelöst und ist ein eigener Markt geworden, auf dem mehr Geld verdient wird als mit nahezu jedem Handelsgut. Daraus entstanden dann auch irreal hohe Marktwerte von Unternehmen wie Google oder Apple, die beide allein einen höheren Marktwert haben als alle deutschen DAX Unternehmen in Summa. Dies für Dinge, die eigentlich keiner lebensnotwendig braucht, die überflüssiger Luxus in einer vituellen Welt sind und dennoch macht kaum einer der lauten Ankläger der Banken Apple einen Vorwurf, die Arbeitsplätze in Billiglohnländer auslagern und mit einer 400-500% Gewinnspanne Telefone oder Computer verkaufen.

Als wir Soros trafen, dümpelte Apple noch mühsam von Bill Gates gerade wieder gerettet herum, baute zu teure, wenn auch sehr gute, Rechner für Designer und Freaks. Schauen wir uns den Wert der beiden Unternehmen Google und Apple seit diesem Treffen an, sehen wir, wie irreal manche Entwicklung inzwischen auch auf dem doch relativ realen Technik Markt erscheint. Sollte Trump tatsächlich die verrückt hohen Gewinne dieser Unternehmen verringern, indem er sie verpflichtet, im Land zu produzieren und heimische Arbeiter zu beschäftigen, wäre dies eine für die USA positive Entwicklung, jenseits aller moralischen Bewertung dieses peinlichen neureichen Präsidenten ansonsten.

Als Soros im Juni 2001 sein Buch im Adlon vorstelle, gab es noch kein 9/11 Trauma der Amerikaner, keinen Krieg in Afghanistan, den er später befürwortete und keinen im Irak, gegen den sich der reiche Investor entschieden wandte und warum er Wahlkampf gegen Bush jr machte, den er nicht nur für unfähig sondern in dieser Frage auch für gefährlich hielt und wie Recht er hatte, sehen wir heute in der Region, in der dank des amerikanischen Krieges eine Gruppe wie der IS zum Staat werden konnte, auch wenn wir noch so tun, als sei dem nicht so.

Im Gespräch war der kluge mehrsprachige Mann ganz offen für die Filmidee, die ich zu gerne weiterverfolgt hätte, auch um etwas gegen die dummen linken und rechten Vorurteile  zu tun, die den reichen Juden moralisch abstempelten, ohne zu sehen, was er tatsächlich mit seinem Geld tat und wieviel er für die Demokratie in Europa und die Freiheit der Menschen bewegte, wie sehr der sehr berechenbare Mann auch ein Wohltäter war. Wir mochten uns und ich wäre gespannt gewesen, was aus dieser Kooperation auf Dauer geworden wäre, mit einem vorurteilsfreien Bild, jenseits der politischen Konventionen, dass einen Menschen zeigte, der logisch und philosophisch konsequent dachte, moralisch reflektierte handelte als die meisten seiner Kritiker von links, rechts und aus Moskau in ihrem Leben je.

Es wurde ein nettes Plaudern in diesem wunderbaren Hotel, er war angetan, wir sollten uns bei seiner Akademie melden, meine ich dunkel zu erinnern, dann warteten die nächsten Interviewpartner und Termine auf den gefragten Investor. Leider blieb es bei der schönen Idee, auch wenn ich nicht weiß warum und gerade jetzt wieder denke, wie dringend nötig ein solcher Film wäre um mit vielen Vorurteilen aufzuräumen, einen Menschen zu zeigen und sein klares Denken, was, wenn ich ihn richtig verstanden habe, für ihn der Schlüssel zu seinem Erfolg war. Vielleicht hat J sie noch weiter verfolgt oder greift sie wieder auf, wir verloren uns irgendwann wieder ein wenig aus den Augen, ich weiß es nicht, gut täte der hochaktuelle Film unserer Zeit immer noch im Kampf gegen Vorurteile.

Nach dem Adlon verplauderten wir uns noch einen Moment mit einigen Staatssekretären und Abgeordneten in einem schönen Weinrestaurant in der näheren Umgebung, in dem ich danach leider nur noch einmal Essen war. Die Idee einen Film über Soros zu machen, um mit Vorurteilen aufzuräumen, statt sie zu bedienen, gefällt mir immer besser - auch wenn ich eigentlich nie Filme sehe, bewegte Bilder nicht sonderlich mag, sie für überschätzt halte, finde sie verblöden eher, als dass sie zum Denken anregen, aber vielleicht könnte in diesem Fall ja eine der seltenen Ausnahmen gelingen, zumindest scheint mir das Thema im postfaktischen Zeitalter wichtiger denn je, um aufzuklären und die rechten und linken Antisemiten so zu offenbaren, wie die Netzwerke hinter vielen Vorurteilen, gegen die einer wie Soros an diesem Abend im Adlon wie in seinem Leben ankämpft.
jens tuengerthal 5.3.2017

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