Donnerstag, 2. März 2017

Berlinleben 008

Winter bis Frühling 2001

Liebesglück

Sie war sich sicher gewesen - ziemlich schnell oder sofort und ich fand es gut so. Sie war die spannendste und beeindruckendste Frau, die ich bis dahin kennengelernt hatte, ich lernte täglich neues von ihr und musste nur schauen, wo ich dazwischen noch blieb - aber in frischer Liebe, war das kein Thema, häufiger Sex glich eventuelle Zweifel aus.

Die ersten Wochen mit A spielten wir beide noch ein doppeltes Spiel, sie, weil sie ihre Freundin A nicht enttäuschen wollte, die eine Party geplant hatte, ich, weil ich nicht alle Karten aus der Hand geben wollte, auch wenn ich mit meinem Freund J eigentlich schon alles besprochen hatte, ihm freie Bahn bei der holden Bäckerin gab, die ihn noch im folgenden sehr für ihre Zwecke zu nutzen wusste, um ihn dann, nach getaner Arbeit ihres Umzugs und der Sanierung ihrer Wohnung schnöde wieder zu verlassen, wie ich es vorher bei ihr ohne all dies getan hatte. Darum sahen wir uns am folgenden Wochenende nicht, als A bei A zu Besuch war - sie sah mich wohl über den Markt schlendern aber ich, der eigentlich nur da war, sie insgeheim vielleicht zu sehen, von Neugier getrieben, übersah sie natürlich blind, wie ich es von Natur aus bin.

Es mag typisch Deutsch sein, Menschen anzustarren, ihnen beim Gespräch genau in die Augen zu sehen, den Blick zu suchen, was manche, gerade Amerikaner sehr verwirren kann, die lieber nur Nettigkeiten im Gespräch sagen und die Lüge fällt deutlich schwerer, wenn du jemandem tief in die Augen siehst. Ob darum das Volk Goethes wahrheitsliebender wäre als seine Nachbarn, würde ich nicht beeiden, auch wenn das gerade kursierende Wort Lügenpresse den gegenteiligen Eindruck machen könnte - da dies nur Ausdruck der immer noch Anfälligkeit für Propaganda ist und das Unverständnis für das Funktionieren der Demokratie in weiten Teilen Ostdeutschlands zeigt, nichts mit mehr oder weniger wahren Aussagen zu tun hat. Doch zeigt es, dass der Vorwurf der Lüge hier immer noch Menschen bewegen kann, die sonst vermutlich meinen, sie würden selbständig denken, nicht nur russisch geleitete Propaganda nachbeten. Auch ich starre gelegentlich, doch weniger um deutscher Gewohnheit zu huldigen, als meiner Blindheit zu gehorchen - wo ich nicht starre, gleitet vieles einfach an mir vorbei und ich bin ein Meister darin, Dinge zu übersehen.

Solches kann gefährlich sein, etwa im Straßenverkehr - kurz nach unserem Anfang im Februar etwa erwischte ich mit dem Kopf eine Straßenbahn in der Prenzlauer Allee, weil ich sie übersah oder den Abstand falsch einschätzte, so genau erinnere ich mich nicht mehr nur, dass die Frau mir im Weg stand und die Bahn kein Thema war, und landete mit dem Rettungswagen im Krankenhaus, wo der blutig offene Kopf wieder genäht und verklebt wurde - danach verbrachte ich den Abend im Sessel und freute mich, diesmal relativ folgenlos meine eben Blindheit überlebt zu haben, nachdem ich mit 16 noch dafür totgefahren, mühsam reanimiert wurde, um ein halbes Jahr in Krankenhaus und Reha zu verbringen.

A gab sich am Telefon besorgt und sah dazu später bei gemeinsamen Autofahrten aus guten Gründen noch manchen Ablass, was ich natürlich ganz entschieden abstritt und was einer der ersten eigentlich völlig überflüssigen Gründe von Reibereien zwischen uns war, wie ich es heute sehe, da ich akzeptiert habe, relativ blind zu sein, also kein räumliches Sehen zu haben.

Das doppelte Spiel klappte bei mir nicht ganz bis zum geplanten Termin, als mich die Bäckerin irgendwann ungeplant anrief, machte ich klaren Tisch und ging sozusagen vertrauensvoll in Vorleistung, was mir auch leichter als A fiel - war ich doch noch nicht über zwei Jahre zuvor in großer inniger Liebe verbunden gewesen, hatte ich nur eine von zweien genommen, die ich überhaupt erst höchstens einen Monat kannte und dennoch war diese Gerechtigkeit zumindest theoretisch und mehr noch emotional ein Thema zwischen uns, weil wir es uns manchmal gern unnötig kompliziert machten.

Würde heute sagen, es lag auch viel an meinem mangelnden Ego, der ich gerade aus meinem ersten richtigen Job gemobbt worden war, das Studium nicht geschafft hatte und mit meinem ersten Start-Up auch an der Finanzierung irgendwann scheiterte, als mich der letzte Job dann nach Berlin trieb. Sie dagegen, seit Jahren in einer Männerwelt beruflich erfolgreich, von vielen Männern verehrt, war jahrelang mit einem Millionär verheiratet, kannte die Welt, hatte einflussreiche Freunde - da kam sich der Mann in mir schon ziemlich klein vor, dazu musste sie gar nicht viel tun und es brauchte schon viel Phantasie und verdammt guten Sex, weiter an sich zu glauben irgendwie - von dieser Frau begehrt und geliebt zu werden, die Diplomaten und Manager nicht gewollt hatte, wäre zwar im Prinzip Grund genug gewesen, nicht an sich zu zweifeln, doch funktioniert das mit dem männlichen Ego leider noch nicht wie ein Perpetuum Mobile, was sich an sich selbst auflädt

Gerade erst dreißig geworden, fehlte mir noch völlig die Gelassenheit der vierzig, die dich genießen lässt, was ist, ohne mehr sein zu wollen oder lächerliche Spielchen zu brauchen, mit denen sich manche Männer und Frauen so gern bewähren. Wollte auch etwas sein oder werden, auch wenn ich eigentlich mit dem, was war ganz zufrieden sein könnte und mehr ist aus mir auch in den letzten 16 Jahren dann nicht geworden, im Gegenteil, habe sogar alle politischen Ämter oder Mitgliedschaften, aufgegeben, weil ich nichts sein wollte, als ich bin und denke nur noch darüber nach und schreibe auf, was ich damals schon bei Montaigne gelesen hatte, ich aber noch nicht wirklich zu würdigen wusste, lebe eher wie er zurückgezogen in meinem Bücherturm und finde es das größte Glück.

Wollte noch wer sein und in meiner Familie etwas gelten, wenn ich schon keinen Doktor machte, nie akademische Würden trug, sollte es doch der Literaturnobelpreis mindestens sein und ein großes Werk für die Nachwelt, dass auch bisher nur in Bruchstücken wenn virtuell existiert und doch bin ich, bedürfnislos in ganz vielem, so glücklich wie ich nie war. Fahre nicht in Urlaub und will es auch gar nicht, freue mich an einer feinen Tasse Tee und einem guten Buch mehr als an einem Geländewagen vor der Tür, brauche immer weniger und genieße, was ist, immer mehr. Kann es größeres Glück geben?

Sie fand diesen ganzen Mist unwichtig, hatte lang genug mit diesen innerlich impotenten Managern zu tun gehabt, die ihre soziale und tatsächliche Impotenz durch Kälte und Reichtum zu kaschieren versuchen. Wir hatten in manchem schon gemeinsame Ideen, ich entwickelte Konzepte für sie und denke heute, hätten uns nicht so viele Dummheiten des Alltags von Mann und Frau so idiotisch ausgebremst, wir hätten richtig gut zusammen sein können, weil wir in vielem ganz ähnlich ticken und ich mit meiner heutigen von Epikur und Lukrez geprägten Sicht eines konstruktiven Materialismus, dem was wir damals suchten, noch näher bin.

Wir merkten es nicht, machten Fehler, fingen die Mann und Frau Spiele an, ließen es lieber mit der Kooperation, damit der berufliche Bereich nicht von privatem Zwist belastet würde und ließen damit in meinen Augen heute vielleicht unsere größte und schönste Chance fahren, sehen wir von dem Glück unserer Tochter mal ab, denn vom Wesen her war unsere Verbindung so produktiv und geistig rege, wie ich es noch nie erlebte, nur bewegten wir uns zu oft in den Mauern und engen Grenzen sozialer Erwartung, erst mehr ich, später auch sie, weil Mann und Frau sich ja auch dialektisch immer gut ergänzen, besonders, wenn viel Gefühl im Spiel ist.

Es ist, was war, nicht wiederholbar und darum ist es müßig über ein was wäre wenn, nachzudenken. Gut aber tut, an dem, was war das Gute und Schöne zu erkennen, um zu lernen in Zukunft Chancen vorsichtiger und besser zu nutzen, statt leichtfertig und eitel Spielchen zu spielen - was sich von außen betrachtet immer leichter sagt, als es tatsächlich beteiligt in einer irgendwann Mènage á Trois am Ende gelassen zu realisieren. Vielleicht verlöre ich weniger Lieben, wenn ich künftig mehr oder nur noch auf das Schöne achtete und genösse, statt mich bewähren zu wollen, denke ich einerseits und weiß doch andererseits, dass Frau auch ihrer Natur nach den Kämpfer in mir sehen will, auch wenn mich diese Rolle eigentlich langweilt und ich nicht mehr vor habe beim Quartett der Chauvis den ersten Platz noch zu belegen.

So bedingt wohl im Verhältnis der Geschlechter manches das andere, auch wenn es dann völlig verkehrt läuft - sie zog sich aus ihrer anfänglichen völligen Freiheit beim Sex zurück, damit ich käme, sie erobern müsste und es nicht meiner Potenz schadete, ich spielte mehr den Chauvi als es meinem Geist und meiner Natur entsprach, um als Mann gewürdigt zu werden, der lange eben auch Hausmann wurde und damit nicht so gelassen umgehen konnte, wie es würdig gewesen wäre.

Bevor die Revierkämpfe begannen, von hier wird im Sitzen gepinkelt, was einfach nur vernünftig und normal ist, damals zum Zugeständnis wurde, das Kompensation im Handel erforderte, bis zu den grundlegenden Fragen des Seins und der Stellung beim Sex wie den jeweiligen sozialen und natürlichen Rollen dabei. Sie war eine selbstbewusste, emanzipierte und rothaarige Frau, die wusste, was sie wollte, was ging und was überhaupt nicht ging. War mir da nicht so sicher, focht manche Kämpfe nur aus Trotz, weil ja nicht nur eine sagen kann, wie es richtig ist, doch begann dies erst richtig, als ich es mit zwei Frauen zu tun hatte, was erst im späten Frühling fast Sommer geschah.

In der Phase erster Verliebtheit, nachdem wir sie endlich offen leben konnten, sie es ihrer Freundin am Abend des Geburtstages gestanden hatte, diese es eigentlich bemerkt hatte, gingen wir die liebe Verwandtschaft besuchen. Und da uns die Liebe zu Norddeutschland und zum Meer verband, fuhren wir an die Ostsee - zuerst zu meinem Patenonkel nahe Wismar, wo sie großen Eindruck machte, sich mit beiden sehr gut verstand, dass sich sogar für sie ein Job daraus entwickelte, der sogar die manchmal schwierige Zuneigung meines Onkels überlebte. Dort hatten wir im Dachzimmer, in dem wir noch viele Nächte später verbringen sollten, wunderbaren Sex - wobei wir dafür noch im wunderbaren dort Marktkauf schwarze Handtücher erwarben, um in der Regel gerade keine Spuren zu hinterlassen. Sie zeigte mir ihre große Erfahrung auch mit dem Mund und ich genoss es ganz, wie sie dabei auch und wir fühlten uns sehr wohl, so nahe dem Meer als Mann und Frau.

Danach besuchten wir ihren liebsten Bruder in Kiel, durften in dessen Bett schlafen, während er sich freiwillig in eine Kammer auf eine Liege zurückzog. Gingen auch zu ihrer über achtzigjährigen Mutter ins wunderschön zentral gelegene Altersheim und mit dieser in A’s Lieblingsrestaurant in der nahen Fußgängerzone essen. Lange Spaziergänge am Meer und wunderschöne Fahrten nach Ostholstein, auf die hessischen Güter, zu den Trakehnern und über die sanften Hügeln mit immer wieder Blick aufs Meer, taten ein übriges, glücklich in Norddeutschland zu sein. Was brauchte es noch mehr?

Die Idee dorthin zu ziehen, verfolgten wir mehrfach, wenn auch nie bis zum Ende, trotz einiger Besichtigungen und großer Leidenschaft dabei. Ob wir in der Einsamkeit glücklicher geworden wären, wie sich unsere Tochter dort gefühlt hätte, was wohl überhaupt nun wäre - ich weiß es nicht und freue mich, dass ich nun darüber schreiben und es gelassen betrachten kann - den Norden liebe ich noch immer, ob ich zum Leben auf dem Land noch tauge, weiß ich nicht - aber manches geschieht auch einfach, ohne es lange vorher zu planen.

A zeigte mir viel von Berlin, dass ich noch nicht kannte, da ich nahezu nichts kannte, eigentlich alles - wir fuhren ins KaDeWe, gingen in die alten Cafés und sie zeigte mir manche zauberhafte Orte, die ihr noch ein früherer Liebhaber gezeigt hatte, den sie kennenlernte als sie mit 17 auf Klasssenfahrt in B war und so bekam ich eine besondere Sicht der Stadt eben auch gefiltert durch die Augen eines ihrer früheren Männer, was natürlich Konkurrenz in mir weckte, mit der ich so gelassen hätte umgehen können, wenn ich bedacht hätte, dass sie mich wollte und bei mir blieb, ich davon nur profitierte, doch sind Logik, Männlichkeit und Gefühl drei Dinge, die sich schlecht manchmal vereinbaren lassen, wenn Frau eine große Rolle spielt. Logik und Männlichkeit verstehen sich prima, Männlichkeit und Gefühl auch, sogar Logik und Gefühl können epikureisch gedacht wunderbar harmonieren, nur als Dreiklang mit Frau dazu, wird es gerne mal etwas dissonant, glaube ich und lächle über manche Geschichte.

Zu behaupten, ich verhielte mich grundsätzlich anders, wäre illusorisch, bedenke ich etwa das Konkurrenzproblem, was ich mit ihrer Nichte hatte, die mir vom Alter näher war als ich ihrer Tante, also nur fünf Jahre jünger als ich war und vom Alter und Typ schon in mein sonst Beuteschema gepasst hätte, wäre sie nicht etwas sehr umfangreich gewesen, aber auch das mochte ich ja eigentlich. Über diese A regte ich mich bei ihrem ersten Besuch furchtbar auf, benahm mich unmöglich, focht Dinge aus, um die es nie ging und riskierte den ersten großen Streit gerade als wir zusammenzogen, was ich ja unbedingt wollte, weil es mir so logisch, effektiv und praktisch erschien. Später verstand ich mich gut mit der Nichte, die mittlerweile auch mehrfache Mutter wurde und ein ganz wunderbarer, typisch norddeutscher Mensch eben ist.

Lächle darüber, frage mich, wozu die ganze Aufregung, das Leben ist kurz genug, es geht nur darum, es so sehr wie möglich zu genießen - damals war es mir noch geradezu panisch wichtig, mich auch zu bewähren und mein Revier zu verteidigen und ich habe fast das Gefühl, dass solches Verhalten kaum durch den Verstand steuerbar ist, so bescheuert es eigentlich immer war. Aber würde ich mich also je anders verhalten?

Ist solch triebhaftes, fast tierisches, jedenfalls sehr unvernünftiges Tun je steuerbar, können wir es überwinden oder gehört die emotionale Aufregung zu unserer Natur, wie zu meiner die Erektion, sobald ich ihre roten Schamhaare sah, was meine Denkfähigkeit auch stark verminderte?

Etwas in uns stieß heftig gegeneinander und ein anderes zog sich wahnsinnig an und denke ich an die Nacht, in der wir unsere Tochter zeugten, auf die Sekunde gleichzeitig voller Glück kamen, ich spürte, was nun geschehen war und überraschenderweise mit meiner Intuition Recht behielt, weiß ich genau, dies war der Gipfel sexueller Harmonie - auch wenn ich heute sagen würde, es war nur der Anfang und wir könnten viel weiter gehen, um ganz zu genießen, bleibt doch das tiefe Gefühl, genau das war einer der schönsten Momente meines Lebens und es hat diesem wunderbaren Kind, glaube ich, nicht geschadet mit Liebe und Lust gezeugt worden zu sein.

Dies geschah im März, bevor die Nichte kam und nachdem wir im Norden waren, da wir danach ja logisch neun Monate keine schwarzen Handtücher mehr brauchten. Als der Test es betätigte, hörten wir beide sofort mit dem Rauchen auf und hatten keinerlei Problem damit -  es war gut so, fühlte sich richtig an, schien ganz natürlich, als würde auch der männliche Körper plötzlich durch neue Hormone gesteuert, wenn Frau schwanger wird.

Sie arbeitete noch relativ viel bis in den Herbst, als dann der Bauch zu groß wurde und wir genossen die gemeinsame Zeit - machten im Mai Urlaub auf Usedom, bei dem sich die Begeisterung ob des ersten Quartiers, einem Geheimtipp von Ossis, direkt an der Eisenbahn in Grenzen hielt, wogegen das zweite direkt an der Strandpromenade mit Sauna uns eine wunderbare Zeit auch unter Nackten bescherte.

Später kam, nach einigem emotionalen Chaos auch bei ihr, A, die vorher Partnerin meiner A, wieder zu Besuch und es begann eine Mènage á Trois, die nie wirklich eine war, sondern nur bedeutete, dass meine A uns beide liebte, wenn ihre alte A aus dem Westen zu  Besuch war mit ihr das Bett teilte und ich diesen Platz sonst einnahm und ihre A und ich sie beide liebten. Fand ihre A auch attraktiv, sie war eine spannende Frau mit einer wunderbar mädchenhaften Stimme, viel Stil und leider der Neigung ihre eigentlich wunderbare Weiblichkeit ein wenig zu unterdrücken und andererseits mit dieser verführerischen Stimme auch damit zu spielen.

Heute noch höre ich die Stimme der leider längst verstorbenen A und frage mich, wie es wohl gewesen wäre, hätten wir wie im Vorbild von Tucholskys Schloss Gripsholm tatsächlich gewagt und gelebt, was nur eine emotionale Idee blieb. Beide dann nahezu parallel schwanger gewesen wären - ihre A war noch ein halbes Jahr jünger als ich, blond, vollbusig, wenn auch sehr diszipliniert zu schlank für ihren Typ Frau, in dem sie sich aber, denke ich, nie ganz wohl fühlte, hat mich auch sehr gereizt. Die Vorstellung beide zusammen zu haben, fand ich schon verlockend, auch wenn ich das ja von meinen Modells aus Frankreich kannte und wusste, wie emüdend solches auf die Dauer sein kann, war es doch hier ganz anders, weil eine enge emotionale Bindung bestand.

Häufig fuhren wir mit A, die immer sehr schicke offene BMWs fuhr, zu Dritt über Land aber da sind wir schon fast im Sommer und hier erzähle ich ja noch vom Frühling. Zwei beruflich erfolgreiche Frauen, in deren Beziehung ich armer Schlucker eingedrungen war - die manche Nächte wieder das Bett voller Lust oder zumindest Zärtlichkeit teilten, während die eine von mir schwanger war und ich mich fragte, was aus mir und uns würde. Keine ganz einfache Konstellation, die mich emotional häufiger überforderte.

Der erotischste Moment in dieser Dreierkonstellation kam erst im späten Sommer und soll dann auch im Zusammenhang erzählt werden, war jedoch auch nur ein kleines Missverständnis, was große Erwartungen gleich bremsen soll und so schwankten wir nun zu dritt dem Sommer entgegen - wussten nicht, was wurde, der Bauch wuchs und die Gefühle um diesen mit. Weiß nicht, ob Männer und Frauen zusammenpassen oder lieber nicht und ob es besser wird, wenn beide bei ihrem Geschlecht bleiben. Meine Erfahrungen mit dem eigenen Geschlecht beschränken sich auf eine Knutscherei mit meinem besten Freund, der schon wusste, dass er schwul war, während ich mir danach sicher war, es eher nicht zu sein.

Wünsche ich mir jede einsame Nacht eine Frau in den Arm und kenne nichts schöneres als angekuschelt einzuschlafen und doch gibt es mehr wache Momente, in denen ich die Einsamkeit weniger bedaure als es genieße, kompromisslos sein zu dürfen, wie ich eben bin. Traue ich den Erzählungen von A und anderen Frauen wie auch den Berichten meiner schwulen Freunde, werden die Rollen in den Beziehungen einfach fortgesetzt, einer ist Frau, einer Mann - ob nun unter Männern oder unter Frauen und so kann ich zu der Frage, ob sie zusammenpassen nichts endgültiges sagen, außer dass ich es mir jede Nacht wünsche und jeden Tag zugleich denke, dass ich es nie ändern sollte, nur weiter ab und an mal eine Nacht genieße, aber bloß nichts zu nah an mich mehr heran lasse, weil die Schmerzen infolge unerträglicher als jede Einsamkeit sein können.

A war nie eine romantische Kuschlerin, sondern eher nüchtern und ich schlief deutlich besser als ich endlich alleine schlief, was aber erst viele Jahre später geschah. Sie kuschelte lieber nur mit ihrer Wärmflasche während ich mich doch als die beste Wärmflasche der Welt sah, die Zurückweisung als persönliche Kränkung empfand, und so gab es neben der großen sexuellen Harmonie und der aufregenden geistigen Spannung auch Punkte an denen wir überhaupt nicht zusammen passten. Da war ich wohl ihrer Freundin A näher, theoretisch, praktisch schlief diese nie in meinem Arm und wäre vermutlich über die Idee sehr verwundert gewesen, fand mich ohnehin schon sehr haptisch, was ohne jeden Widerspruch teilweise stimmte.

Alle drei waren wir verschieden und uns in manchem sehr ähnlich und nah - hätten uns vermutlich in einer ganz freien Konstellation zu Dritt perfekt ergänzen können, wenn wir es denn je gewagt hätten - im Frühjahr aber begann nur die vorsichtie Annäherung und ich wechselte die Rolle zwischen Platzhirsch und drittes Rad am Wagen in innerer Unsicherheit - wusste, wenn ich gegen sie kämpfe, verliere ich alles und also auch unser Kind, kämpfte ich um sie, lief ich Gefahr zu verlieren und mich dabei lächerlich zu machen, trat in eine Konkurrenz in der ich gefühlt keine Chance hatte, denn was war ich schon, kämpfte ich nicht, konnte ich sie verlieren oder gewinnen, gab es aus der Hand, aber hatte einzig die Chance, was auch passiert bis zum Ende dabei zu bleiben.

Auch wenn ich solche taktischen Erwägungen möglicherweise noch anstellte, tat ich dies nur im Hinterkopf, wenn überhaupt. Der Reiz ein Teil dieser Liebe zu werden, beide zu haben, wog hormonell ohnehin stärker als alle Vernunft. Zum Glück wog auch die sexuelle Anziehung von meiner A und mir, die wirklich überdurchschnittlich besonders war, schwer genug, diese Zeit zu überdauern, die wohl für keinen der Teilnehmer so einfach und locker war, wie sich die Mènage á Trois so liest und viel weniger sinnlich als emotional zehrend für alle.

Lernte mit A und den beiden A Berlin neu sehen, die Stadt erst kennen und wie schön ein gutes Leben sein kann, was ich alles in meiner Studentenzeit noch nicht kennengelernt hatte. Die beiden, vor allem meine A waren echte Genießerinnen, es gab kistenweise Cremant oder Champagner, feinstes Fleisch aus dem KaDeWe und beste Bio-Katoffeln vom Markt am Kollwitzplatz, Gewürze dazu aus Kiel vom Markt, ein Feinschmeckergenuss mit stundenlangem Kochen, ewigem Essen, wunderbaren Weinen und Geschichten aus aller Welt, in der ich noch meine Rolle suchte, statt einfach glücklich mit dem zu sein, was ist, wollte ich mich noch beweisen, etwas besonderes werden und ähnlicher Unsinn mehr. Doch was außer glücklich sollte Mann mit zwei wunderbaren Frauen sein?
jens tuengerthal 2.3.2017

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen