Sonntag, 1. Januar 2017

Gretasophie 005d

005d Sittengeschichte

Die Sittengeschichte beschäftigt sich mit den Sitten und Bräuchen der Völker, wurde oft genutzt, um Vorurteile zu verbreiten oder über Sex zu schreiben, um den es bei den Sitten meist hauptsächlich geht, wieviele Saltos davor auch immer gemacht werden, um den Antrieb der Sitten zu verbergen.

Was sind Sitten überhaupt, frage ich mich zunächst?

Sitten sind die Gewohnheiten eines Volkes, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt. Sie betreffen das Verhalten, was gewünscht ist, sei es durch Moral, Recht oder andere soziale Normen. Darum gibt es auch Unsitten, die das unerwünschte Verhalten betreffen. Der etwas unklare Begriff, der regional verschiedene Bedeutung haben kann, wird auch juristisch als eben unbestimmter Rechtsbegriff gebraucht, etwa beim Verstoß gegen die guten Sitten nach § 817 BGB, der die Rückabwicklung sittenwidriger Geschäfte regelt oder auch bei der Einhaltung der Verkehrssitten als Gewohnheiten im Umgang.

Unter die Sitten fallen auch die Umgangsformen - wann eine Äußerung wo eine Beleidigung ist, welches Verhalten nach der Sitte bestraft werden kann und welches eben nicht. Wer über deren Einhaltung wacht ist ein Sittenwächter und bei der Kriminalpolizei gibt es die Abteilung Sitte, die sich mit allen Sexualdelikten beschäftigt und früher auch die da als sittenwidrig geltende Prostitution kontrollierte. Heute gilt Prostitution nicht mehr immer als sittenwidrig, aber es gibt zahlreiche Tatbestände im Bereich der Prostitution, die eben verkaufte Sexualität ist, die in den Zuständigkeitsbereich der Sitte fallen.

Damit sind wir schon bei dem Thema, um das es mehr oder weniger verklausuliert in den meisten Sittengeschichten geht: Sex! Wie erlaubt er ist, wer es mit wem tun darf oder warum nicht und ähnliche Fragen die mehrheitlich moralisch beurteilt werden, auch wenn es nur um eine einfache Triebbefriedigung geht, die schlicht nach der Natur betrachtet werden könnte.

Es gab dabei Kulturen, die es freier betrachteten und gibt bis heute viele, die es relativ genau regulieren. Es ist nicht erkennbar, dass sich durch Verbote irgendwas je an den natürlichen Bedürfnissen geändert hätte.

Mit der Prostitution gibt es einen Bereich, der das natürliche Bedürfnis zum Geschäft machte und der nur existiert, weil ein Teil der Menschheit damit nicht gelassen umgehen kann. Gekaufter Sex ist nie gut, sondern immer nur ein schlechter Kompromiss, weil eine Seite die  Leidenschaft nur beruflich spielt und die andere das genau weiß. Wer daran Spaß hat, wird selten wissen, was guter Sex ist, könnte sich genauso und billiger selbst befriedigen, tut etwas, was anrüchig ist und dadurch nur reizvoll wird.

Mit einer Hure zu schlafen, ist nur lohnend, wenn sie es von sich aus will, dabei nicht an Geld denkt, sondern die Befriedigung ihrer Triebe. Mag in seltenen Fällen auch im professionellen Bereich vorkommen, maße mir da kein Urteil an, aber ist eher das Gegenteil vom üblichen und das, was Huren wie anderen Frauen und Männern eben privat mal passiert und was Sex im Gegensatz zur Hurerei ist.

Halte den ganzen Bereich für ein schlechtes Geschäft für beide Seiten und nicht lohnend, da der Markt aber anderes sagt, gibt es ihn und er boomt immer da, wo viele Menschen zusammenkommen. Frage mich dabei schon länger, ob sein Bestand nicht mehr mit den Sitten zusammenhängt als der Sache an sich.

Auch ein Verbot der Prostitution hat selten etwas an den tatsächlichen Zahlen geändert. Das Geschäft wandert nur in den Bereich des Schwarzmarktes und schafft ein noch unsicheres Umfeld für die meisten Arbeitnehmerinnen dort, in denen ihnen noch eher Ausbeutung und Missbrauch drohen, während ein legaler Markt, der sich jeder albernen Moral enthielte, relativ gut schützbar wäre, sich eher von alleine erledigte.

Der größte Bereich der legalen Prostitution ist die Ehe. Auch dort wird häufig die Hergabe für Hingabe praktiziert, auch wenn letztere früher zu den ehelichen Pflichten gehörte, ist der dabei betriebene Tauschhandel mehr als üblich. Das beginnt mit der Verweigerung von Sex vornehmlich durch Frauen, um ein bestimmtes Verhalten ihrer Männer zu erreichen. Hier wird nicht direkt für Sex gezahlt, sondern mit Anpassung die Triebbefriedigung erkauft. Weiter geht es mit den kleinen Gaben, zur Erhaltung der Liebe, die dafür die Willigkeit erhöhen können, ohne in direktem Zusammenhang als Lohn zu stehen, wissen doch beide Seiten darum. Nicht wenige Frauen in längeren Beziehungen sind in diesem Sinne käuflich und diese Art der Prostitution, die in unserer Gesellschaft sowohl legal als auch moralisch in Ordnung ist, gehört zum auch normalen Alltag fast jeder Beziehung.

In der Ehe wird noch die Liebe als immaterielle Größe und Grund der Hingabe stets angegeben. Darum wird sie sozial nicht als Hurerei behandelt, auch wenn de facto vermutlich mehr als 90% der Fälle des Sex in der Ehe nach den ersten 5 Jahren, entweder sozial oder pekuniär durch Geschenke oder Zuwendung erkauft. Wer der Sitte und dem Wunsch des anderen gehorcht, handelt moralisch, wer sich für etwas nur hingibt, ohne eigene Lust, wäre heute eher unmoralisch. Aber auch da fließen die Grenzen sehr.

So galt die Lust der Frau beim Sex in der Ehe als ungehörig, dieser wäre nur als Pflicht zu erledigen mit wenig Leidenschaft. Wenn es solche gäbe, wäre sie andernorts zu befriedigen, war sehr lange offizielle Lesart der katholischen Kirche und ist es in vielem noch bis heute. Darunter litten vor allem die eigentlich wesentlich potenteren Frauen während die Männer das Patriarchat auf- und ausbauen konnten. Bei Männern galt es als normal und wenn nicht schicklich, so doch üblich und damit schon fast Sitte vor der Ehe und neben der Ehe sexuelle Erfahrungen zu sammeln Bei der Frau dagegen nicht und in manchen Gegenden der Welt, wird heute noch die blutige Bettwäsche nach der Hochzeitsnacht präsentiert, um damit die Jungfräulichkeit der keuschen Braut zu beweisen.

Auch aus der von den Frauen geforderten Keuschheit entstand die seltsame Sitte der Klitorektomie und der Vernähung der weiblichen Schamlippen, damit diese keine Lust sondern nur Schmerz dabei empfänden, außer sie kämen auf die kluge Idee, es lieber anal zu  tun, was aber von den Religionen als Wächtern der Sitte aber meist rigoros abgelehnt wurde.

All dies lässt den vernünftigen und kritischen Menschen, der mit Göttern nichts am Hut hat und sie weder fürchtet noch sich gerne anpasst, fragen, was es mit dieser Sitte auf sich hat, die Sexualität bestraft oder Lust unmoralisch macht und woher sie kommt.

Wer die Lust und die Triebe der anderen beherrscht, hat Macht über einen ganz zentralen Bereich des menschlichen Wesens. Die Moral dient also der Kontrolle und Zähmung einer Gesellschaft, wenn wir sie wörtlich nehmen. Sie lenkt in moralische Bahnen und ordnet die Beziehungen, in dem sie ihnen einen genauen Rahmen gibt. Damit werden geordnete gesellschaftliche Verhältnisse geschaffen. Mütter wissen, wer die Väter ihrer Kinder sind und Väter sind sich dessen auch sicher und übernehmen dabei im auch noch mit Gefühlen belegten Bereich Verantwortung. So gesehen könnte die religiöse Moral, so albern sie begründet wird, eine gesellschaftlich wichtige, soziale Aufgabe haben, soweit wir sie wörtlich nehmen.

Möglich ist aber auch eine andere Auslegung, die erklärte, warum in katholischen Gegenden mehr Kinder oft gezeugt werden als in protestantischen. Danach wirkte das Verbot luststeigernd also dialektisch. Um so höher die Tabuisierung der Sexualität in einer Gesellschaft ist, desto stärker wächst umgekehrt der Trieb der Mitglieder in diesem Bereich.

Was erlaubt ist und was ich immer darf, ist viel weniger spannend, als was eine Sünde ist. Die Lust wächst so häufig umgekehrt proportional zum Aberglauben. Was für Drogen gilt, die auch nur spannend sind, weil sie eine Übertretung gesellschaftlicher Regeln bedeuten, wirkt noch stärker im Bereich Sex, der einerseits unsere Natur ist, andererseits weit jenseits davon lebt und durch die Vermischung mit Gefühlen wie Liebe in der tatsächlichen Anwendung noch komplizierter wurde.

Was wissen wir noch über unsere Natur dabei?

Wann folgen wir ihr beim eigentlich natürlichen Bedürfnis nach sexueller Befriedigung?

Wo gehorchen wir dabei der Moral und Sitte unserer Gesellschaft und handeln also unfrei?

Sage es lieber gleich, ich weiß es kaum für mich und noch weniger für andere je. In dem Moment, in dem die Triebe über den Verstand siegen, scheint es uns, dass wir der Natur folgen, aber auch das ist relativ unsicher und ist das, was uns dazu reizt oder was wir geil finden wirklich Spiegel unserer Natur oder auch nur ein Abbild der Konventionen, die wir längst verinnerlichten.

Reagiere auf bestimmte Frauen stärker als auf andere und dabei häufig auch noch antizyklisch, so dass der Reiz noch erhöht wird, wo mir eine unerreichbar erscheint, weiß also nicht, ob die Lust auf die eine oder andere eher durch natürliche Reize verursacht wurde oder durch die Provokation des antizyklischen Verhaltens. Dazu kommt noch, dass ich auch gerne liebe und emotional auf bestimmte Typen oder Verhaltensweisen reagiere, die mich stärker anziehen, auch wenn alle Vernunft mir sagt, mit denen wird es nie gut und doch gerade dann ist der Reiz, es zu erreichen um so höher und die Enttäuschung noch erwartbarer.

Wo wir Sex mit Liebe haben, den wir einhellig als den Schönsten bezeichnen, und dem will ich gar nicht widersprechen, auch wenn ich es nicht ganz verstehe, legen wir die Betonung noch stärker in den Bereich der Emotionen. Sind diese Gefühle dann Teil unserer Natur oder ist die triebhafte Natur nur körperlich, während die zärtliche Liebe, auch wo sie die Triebe führt, immer geistig bleibt, frage ich mich dabei und ob es überhaupt je sinnvoll ist diese Bereiche zu trennen.

Bemühe mich immer darum beides im Einklang zu tun, aber, was weiß ich schon wirklich von den Antrieben meiner Natur?

Wann handele ich nur noch dem Sex-Trieb folgend und wo geht es mir mehr um das Gefühl auch beim ganz scheinbar triebhaften Handeln, wäre ein Unterscheidungskriterium, wenn ich etwas hätte, um es festzustellen. Aber ich weiß es nicht wirklich. Wenn ich triebhaft bin und das Blut statt ins Hirn in mein Glied gepumpt wird, ist das Denken meist schwächer und die Unterscheidungsfähigkeit nimmt entsprechend ab.

Vielleicht ist das auch gut so und natürlich - aber wie unterschiede sich dann der Natur nach der Sex mit Liebe von dem ohne, weil sie sich im mechanischen Vorgang ja einer wie der andere völlig glichen?

Es wäre natürlich eine Gefühlsfrage und also ein geistiges Thema und so müssten wir, wenn die Lust am größten ist, innehalten, um uns zu fragen, ob wir das Gefühl geistig spüren und dies stärker ist als der Trieb, damit wir diesen im Schatten der Liebe auch erst gebührend würdigten. Klingt so verkopft und idiotisch, wie es in der Praxis vermutlich wäre.

Die Natur sagt uns schon, wie es richtig ist und wir erspüren ganz natürlich, was wir wollen, will ich denken und manchmal ist das auch so, dann wird der Sex schön und alles ist gut. Aber mindestens so oft, ist es auch nicht so einfach und dann braucht es Gespräche und Offenheit dabei, um neue Wege zum Glück zu finden.

Wann die ersten moralischen Grenzen von der Sitte beim Sex gezogen wurden, lässt sich nicht beantworten. Auch nicht wann die Liebe dabei Einzug hielt und warum sie vielfach für den entscheidenden Faktor gehalten wird. Manches spricht für eine natürliche Entwicklung der sexuellen Gewohnheiten, in der sich während der Evolution zeigte, dass in Familien gesündere Kinder heranwachsen und diese Gemeinschaft uns gut tut.

Aber auch das ist spekulativ eher, so genau können wir das nie wissen und unterscheiden. Würde mich jemand fragen, ob beim Sex mehr die Liebe oder der Trieb überwog, antwortete ich wohl mit der Gegenfrage, wann?

Solange beide um den Höhepunkt ringen oder sich zumindest einer darum bemüht, ist alles auf die Befriedigung gerichtet und diese überwiegt, außer es treten dabei andere Ereignisse zu Tage, die vom Ziel der Triebbefriedigung ablenken. Danach überwiegt dagegen bei mir meist das Gefühl. Bin dann voller Dankbarkeit und auch Liebe für die Frau in meinen Armen oder unter mit oder wie auch immer.  Darum ist der wohl tatsächlich real relativ seltene gemeinsame Höhepunkt mein Ideal, weil sich dann beide voller Liebe zärtlich in die Arme sinken können und nicht nur einer glücklich erschöpft ist.

Auch bevor es richtig anfängt, oder in überraschenden Momenten dabei auch immer wieder, überwiegt plötzlich das Gefühl. Es kann eine aufkeimende Zärtlichkeit oder auch nur ein Reflex auf ein bestimmtes Verhalten sein, manchmal eine unerwartete Erinnerung und dann auch wieder ohne jeden Grund, völlig irrational, aus dem Gefühl eben.

Kenne das von all meinen Lieben und es kann mich dieses Gefühl auch immer wieder packen, wenn ich diese wiedersehe, als sei die Liebe immer unsterblich, schreibe ich so leicht dahin und bin vom Gedanken ganz gerührt. Meist überwiegt nach einer Trennung die Vernunft und ihre Gründe alle Triebe, aber nicht immer.

Bevor ich mich nun aber in gefühligen Geschichten und Anekdoten verirre, sei des Themas der Sittengeschichte gedacht und dem Grund des Ausfluges, der Unterscheidung von Natur, Gefühl und Konvention. Es bleibt unklar, was genau für welchen Bereich zuständig ist, auch wenn wir immer mehr wissen, welche Hormone beteiligt sind oder wo die Reaktionen wie im Hirn ablaufen, was sich jedoch auch von Mensch zu Mensch unterscheiden kann, weil es keine taugliche immer gültige Landkarte für das Gehirn gibt.

So funktionierten nach meinem Unfall bestimmte Bereiche nicht mehr oder nicht, wie sie sollten, ich sprach nicht oder atmete anfangs auch nicht selbständig, was ich aber schon wenige Monate danach wieder konnte. Dies nicht weil der Bereich wieder heil gewesen wäre, tote Hirnzellen bleiben tot. Funktionierte das Gehirn nur lokal und nicht bloß funktional, hätte ich durch den Schlag auf dem Kopf vor bald 30 Jahren all die dort lagernden Fähigkeiten verloren, doch sie kamen alle wieder, weil es sich neue Zellen irgendwo anders suchte, auf die das Programm aufgespielt wurde, was im Kopf eines Fußballers im kleinen Rahmen nach jedem Kopfball geschieht.

Vielleicht funktioniert es mit Lust und Liebe so ähnlich etwas chaotisch unklar. Bestimmte Bereiche reagieren normalerweise, aber es können auch ganz andere sein und dazu kommen noch viele Dinge, von denen wir nichts wissen, bei denen unklar ist, ob wir sie je verstehen können, weil hier auf Ebene der neuronalen Netzwerke bestimmte Reaktionen auf Erfahrung und Gefühl mit gewissen Hormonen reagieren und jeder in seinen Milliarden Verbindungen im Hirn dabei andere Schwerpunkte hat, auf die es in genau dieser Situation aber ankommt.

Dann wäre Sex mit Liebe zwar gefühlt immer noch am schönsten, wir wüssten nur nicht warum und ließen die Dinge aus Respekt vor der Komplexität geschehen. Es stellte sich aber die Frage, warum die Sitte an dieses Verhalten Sanktionen oder Belohnungen knüpft, wenn es in seinen Gründen zu komplex ist, ganz verstanden zu werden. Eine Sanktion oder Belohnung ist nur sinnvoll für ein Verhalten, das in unserer Verantwortung oder Kontrolle liegt, wo das nicht so ist, fehlte es juristisch immer an der Schuld und desto spannender wird nun die sittliche Beurteilung eines Handelns als gut oder verwerflich.

Wir können uns unter Zwang auch im Bereich der Sexualität bestimmten Konventionen anpassen, was viele Homosexuelle über Jahrhunderte aus Schutz vor der bigotten kirchlichen Moral mussten. Ob dies die Homosexualität quasi dialektisch noch reizvoller machte, weil sie ein Tabu war, ist unklar. Vermutlich, liegt die sexuelle Neigung in unserer Natur angelegt, die zu einem bestimmten Prozentsatz immer gleichgeschlechtlich auch war. Wer diesen relativ geringen Prozentsatz von vermutlich nicht einmal einem Viertel tabuisiert, übt damit eine ungeheure soziale Macht und Kontrolle aus.

Ein Staat, der sich als quasi Nachtwächter nur um staatliche Dinge kümmert und einen bloßen Rahmen für das Zusammenleben bildet, wird sich nie um solche Fragen kümmern. Dagegen haben viele Staaten ein starkes Bedürfnis auch das private Leben ihrer Bürger zu regulieren, um ihre Macht auszubauen, die Gesellschaft in ihrem Sinne zu formen.

Die großen monotheistischen Religionen mit ihren genauen Regeln auch für Sexualität, Zusammenleben und Sozialverhalten, geben dem Staat hier eine Möglichkeit der Kontrolle über Moral und Sitte, deren Maß sie erklären, was kein Bürger dem Staat freiwillig gäbe. Daneben haben sie noch eine relativ simple Ethik, die ein friedliches Zusammenleben ermöglicht,

Über Jahrhunderte haben wir das uns stets diktierte sittliche Verhalten, wie es die Religionen forderten so weit verinnerlicht, dass uns vieles davon heute natürlich und normal scheint, während andere vielleicht auch genauso natürliche sexuelle Neigungen für krank gehalten wurden. Wir sind also in unseren Urteilen sozial unfrei und in einem uns fremden Rahmen gefangen. Doch geht es den meisten so, warum es uns weniger auffällt.

Anderes Sexualverhalten erlebten viele Forscher bei den Eingeborenen der Südsee bei Inselvölkern oder Urwaldbewohnern - dort schickte der Vater seine jungen Töchter nachts zu den Gästen in die Hütte oder Hängematte, damit sich beide miteinander vergnügen sollten oder, wo es keine Töchter gab, auch die eigene Frau. Teile der Forscher, vermutlich alle, die es nicht selbst genießen konnten, empörten sich über dies Verhalten, dem jeder Anstand und alle Sitten fehlten, andere, vermutlich die Genießer, lobten die Freiheit und Schönheit der Inseln.

Viele Völker der Welt verhüten natürlich während der fruchtbaren Tage mit Analverkehr, völlig normal, schön und für alle Beteiligten ein Glück, da der weibliche nervus pudendus auf diesem Weg am direktesten stimuliert werden kann, was viele in Konventionen gefangen, weder genießen können, noch wissen. Im westlichen Kulturraum ist dies für manche Frauen ein Tabu geworden, das in manchen Bundesstaaten der USA sogar strafrechtlich belangt wird, genau wie der Oralverkehr, was noch absurder erscheint aber mit dem christlich abergläubischen Begriff der Reinheit zu tun hat.

Auch der freie oder unfreie Genuß der Sexualität hängt häufig stark mit dem erlernten Sozialverhalten zusammen. So kannte ich Frauen, mit denen ich immer, wenn es dazu kam für beide Seiten wunderbaren Sex hatte und dennoch zierten diese sich manchmal aus nicht sexuellen Gründen sehr, benutzten diesen als Mittel zum Zweck andere Ziele zu erreichen, betrieben also Hurerei statt Liebe, die sie damit einfordern wollten, verhielten sich also absurd, obwohl sie schönen Sex kannten und selbst genießen konnten. Weniger wunderte mich dies Verhalten bei denjenigen, die ohnehin keine große Lust entwickelten oder seltener Befriedigung fanden, doch trat es bei beiden gleich häufig auf, ohne dass es je einen Vorteil ihnen brachte, weil es mir wichtiger meist ist, nicht erpressbar zu sein, als Sex zu haben, was natürlich, wie immer, nur theoretisch gilt.

Schaffen die Sitten und die Moral dabei einen Rahmen, der das Zusammenleben erleichtert oder erschwert, fragt sich am Ende der Betrachtungen?

Weiß auch das nicht wirklich zu entscheiden, weil es, wie immer, Elemente von beidem hat. Sie erhöhen den dialektischen Reiz, was zumindest bei Katholiken sehr effektiv funktioniert aber mich aufgeklärten Atheisten mit protestantischem Hintergrund meist eher nervt. Gegen sie spricht, dass sie uns häufig völlig im bloßen Gehorsam gegenüber den Sitten von unserer Natur entfernen und wir diese mit jener verwechseln. Die Menschen tun nicht, was sie wollen, sondern was sie sollen und vergessen darüber, wozu sie eigentlich Lust haben, wie sich Lust natürlich anfühlt.

Die Sittengeschichte des Abendlandes ist eine gruselige voller Verbote und den Versuchen, diese zu umgehen, mit zahlreichen emotional verkrüppelten Wesen, die nicht mehr wissen, was sie möchten und wie sie genießen können. Hier bräuchte es dringender einer Befreiung und Entstaatlichung aller Sexualität als einer neuen Moral. Viele Verbote und Regeln sind ein Witz geworden und erreichen das Gegenteil des erwünschten, weil sich die Zeit geändert hat.

Wer Sexualität für etwas privates hält, sollte es auch jedem überlassen, wie er damit umgeht - es muss da nichts immer falsch oder richtig sein, solange alle Beteiligten, wissen, was sie tun und es so wollen. Alle Sitten und jede Moral sind dabei meist nur ein absurder Spiegel der Versuche, die Welt zu ordnen.
jens tuengerthal 1.1.2017

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