Samstag, 1. Oktober 2016

Liebosophie 006

Ortsliebe

Manche Liebe ist asexuell und doch innig
Vielleicht sogar inniger als die ewige nur
Zwischen Anziehung und Abstoßung hier
Schwankende paarweise normale Liebe

Es liegt mir fern dem Asexuellen noch ein
Loblied zu singen wo es doch vielmehr
Um Lust nach der Natur gehen soll was
Immer das auch sein soll natürlich sonst

Denoch ist die Liebe zu Orten zwar doch
Physisch wohl aber selten sexuell außer
Der Kontext des Ortes gibt dies gerade her
Aber um nichts weniger beglückend dabei

Vielleicht sogar macht die Ortsliebe meist
Glücklicher als die zu Frauen oder Männern
Sind diese Subjekte unserer Anbetung doch
Immer bereit Zuwendung gern zu erwidern

Viele Orte habe ich in meinem Leben geliebt
Ohne an einem für immer bleiben zu können
Doch voller Sehnsucht danach Heimat zu haben
Wie sie vielen ganz normal erscheint immer

Doch wer irgendwoher kommt und dies auch
Seit Generationen womöglich dem stellt sich
Diese Frage nicht während andere nie dort
Ankommen wo sie wirklich hingehören

Liebe etwa Weimar wo ich nie lebte weil
Die Stadt der Klassik mitten in Thüringen
Nahe den Wurzeln meiner Familie einfach
Eine Schönheit ist die mich tief berührt

Die Wurzeln der Familie etwa in Gotha
Das ich kaum kenne aus dem schon der
Urgroßvater wegzog der so jung fiel im
Noch 1. Weltkrieg bei Verdun irgendwo

Liebe Bremen wo ich geboren wurde einst
Finde mich blind noch zurecht finde ohne je
Länger als ein Jahr dort gelebt zu haben es
Blieb Großeltern Ort gediegener Bürgerlichkeit

Das linke Bremen etwa der Kreise in denen
Frankfurt meine Heimat lange war kenne ich
Überhaupt nicht die Welt spielte sich dort mir
Zwischen Parkhotel und Schütting mehr ab

Frankfurt wo ich sehr lange lebte liebe ich auch
Wenn die spröde Schönheit es einem nicht gerade
Leicht macht auf den ersten Blick so ohne Gefühl
Mit verspiegelten Bankhochhäusern oder der Zeil

Doch wer je im Städel lustwandelte oder im Stadtwald
Groß wurde und die Schwanheimer Eichen schon als
Kind als uralt kennenlernte wie schon Goethe 200 Jahre
Zuvor der versteht wieviel Schönheit dort verborgen liegt

Heidelberg das Hölderlin noch viel zu romantisch kitschig
Als der Vaterlandsstädte schönste besang liebe ich trotz
Relativ unbestrittenen Schönheit nie wie mir die Mundart
Dort im Ohr immer weh tat bis ich endlich wegzog

Inzwischen scheint mir die Kurpfalz auch auf ihre eigene
Art sehr liebenswert hinter der sich mehr als guter Wein
Wie lange große Geister auch verbargen die das Land
Prägten wie gestalteten vom Neckar aus noch bis heute

Berlin der Ort an dem ich am längsten nun lebe sogar
Nie blieb ich irgendwo länger noch dazu in einem Viertel
Wie hier in Prenzlauer Berg wo viele sind die ihre Heimat
Verließen um da zu sein - dies Berlin liebe ich sehr eigen

Schroffe Ablehnung trifft hier auf überfließende Zuneigung
Krachende Härte der Großstadt auf idyllische Lieblichkeit
Es ist nicht liebenswert und ist es doch irgendwie immer
Doch kenne ich fast nichts von dem was sie vielen ist

Wer Berlin liebt mag seine Clubs und Partys seine Szene
Wie ein ausschweifendes Nachtleben manchmal noch die
Architektur im preußischen Arkadien auf der Insel wohl
Wie an den Seen der Umgebung mit Sammlungen bedacht

Die Sammlungen aber sind was ich hier mehr liebe als sonst
Manches in überschätzter Geschichte des jungen Dorfes auf
Märkischem Sand mit mehr Großmäuligkeit als Geschichte
Deren Gebäude zumindest teilweise soweit noch preußisch

Liebe also das tote Berlin mit seinen Museen mehr als seine
Szene oder all die verrückten Menschen dort die sich täglich
Neu inszenieren in Clubs oder auf der Straße denn was ist
Interessiert mich viel weniger als was irgendwann einmal war

So weiß ich nicht ob ich diesen Ort liebe und frage mich wenn
Welchen denn den vor 200 oder 300 Jahren oder den von jetzt
Liebe wenige Cafés an beschränkten Orten sehr aber wie es
Diese aber auch andernorts genauso geben könnte fraglos

Die Freiheit in Berlin so zu sein wie du gerade Lust hast
Sich nicht zu verkleiden oder in äußerlichen Grenzen
Noch leben zu müssen mag ich aber fände es auch ok
Wenn sich alle gediegen edel und gebildet zeigten anstatt

Auch ist Berlin viele Dörfer und schaue ich etwa
Die Menschen in Marzahn oder Pankow nebenan
Lichtenberg gar an stelle ich fest wie fern sie sind
In wie tief östlicher Provinz  wir noch immer leben

Was die Frauen in Mitte und auf dem Berg weniger
Make-up tragen schmiert sich die in Charlottenburg
In dreifacher Menge ins Gesicht außer sie ist gerade
Wieder anders als der Durchschnitt dort was oft ist

Wismar etwa liebe ich als historischen Ort nur in seiner
Sichtbar hanseatischen Geschichte und finde ich doch
Gegenwärtig einfach ein Grauen wie so viele Nester
In ostdeutscher Provinz mit überwiegender Tristesse

Vermutlich sähe ich sogar Weimar ähnlich lebte ich da
Doch das kann täuschen denn vielleicht ist es weniger
Nur der Ort als die Leute dort und die Stimmung mit der
Genau dieser Ort erlebt wurde und in Erinnerung blieb

Kannte mal eine aus Gelsenkichen die nicht nur sogar
Schalke liebte sondern dazu noch ihre Wahlheimat als
Eine wunderschöne Ecke Deutschlands beschrieb nur
Eben im Verborgenen das sich auch mir nie erschloss

Hatte mal eine Verlobte aus Essen deren Elten noch
Dort im feinsten Teil nahe dem Hügelpark lebten so
Lernte ich Essen nur von dieser Seite quasi kennen
Vornehm gediegen voller gebildeter reicher Leute

Wie groß war der Schock als ich erstmals die Innenstadt
Dieser in jeder Hinsicht schamlosen Stadt sah oder was
Davon blieb nach dem großen Krieg als nur belebter
Kadaver aus Vergangenheit wie auch Mannheim

Bei Stuttgart empfand ich dasselbe und München tja
München sagte mir gar nichts so bezaubernd auch die
Immer wieder Frauen seiner Umgebung waren dies
Bayern stieß mich tief im Inneren immer wieder ab

Auch länderweit kam dieses Gefühl bei mir vor
Nordrhein Westfalen blieb mir wie seine Bewohner
Als meist katholisches Kernland innerlich doch fremd
Der Norden wärmte mir jedesmal das Herz unsinnig

Es gibt forsche ich danach wenig sachliche Gründe
Für solche Zu- oder Abneigung und warum bei mir
Eine die eher norddeutsch spricht einen Bonus hat
Während süddeutscher Dialekt über hohe Hürden muss

Auch die innere Erhebung über die für mich Proleten
Des Dialekts die einfach nur heimatvebunden sind ist
Bildungsbürgerlich vielleicht motiviert doch sachlich
Durch nichts real begründet als ein Gefühl von damals

Eltern und Großeltern sprachen immer hochdeutsch
In der mütterlichen Linie mit nordischem Einschlag
So schienen mit ungebildete Landpomeranzen aus
Braunschweig oder sonst Norden ganz großartig

Vielleicht hat die Liebe zu den Orten so für mich
Weniger mit Klima als mit Klang zu tun noch wie
Mit Bildung und Klasse oder was ich dafür hielt
Aus dem beschränkten Horizont meiner Klasse

Die Wienerin fand ich sofort reizvoll ihren Dialekt
Mochte er breit und ungebildet sein faszinierte mich
Eine fremde bewunderte Welt voll schöner Literatur
Auch wenn es bis auf wenige Ausnahmen irreal blieb

Wien ist für mich eine zutiefst erotische Stadt
Dabei kenne ich nur eine von dort ganz nah real
Manche im gesponnenen virtuellen Flirt was aber
Weniger Ort als Geschichte noch ist heute wohl

Dabei gibt es keinen realen Grund warum mich
Die Stadt der prüden Maria Theresia wie einer
Starken katholischen Kirche irgend anmacht
Geliebte meines Vaters vor fünfzig Jahre wohl kaum

Heimat oder was wir dafür halten ist immer stark
Verbunden wohl mit den Menschen dort wie den
Erinnerungen die wir vor Ort teilten so bekommt es
Den Klang mit dem wir uns später wohlfühlen

Die Liebe zu Orten hat den Vorteil diese bleiben
Sollten sie eifersüchtig auf andere Orte einst sein
Werden sie ohne Streit vergessen es bleibt nur
Die schöne Erinnerung an einmal Stunden dort

Doch so leicht sie es uns machen sie zu lieben
So schnell und ungerecht sind dabei immer auch
Unsere Urteile über Orte die uns fern bleiben
Wie bei mir etwa Bayern oder das immer NRW

Ähnlich in Berlin was ich als Ort ja schon liebe
Irgendwie und doch blieben mir die Berlinerinnen
Meistens eher fremd so nah ich manchen auch war
Oder außer wenn sie katholisch waren und dann doch

Innerlich blieben dem konfirmierten Atheisten auch
Die Katholikinnen immer fremd irgendwie fremder
Sogar als manche Muslima die dafür in anderer Art
Völlig befremdlich mir wiederum erschien als Wesen

Vielleicht liegt es daran dass die Beziehung zu Frauen
Egal wann und wo immer auch sexuell bei mir war
Zumindest in Hintergedanken ganz natürlich es blieb
Weil eine Frau eine Frau ist und ich Frauen liebe

Dies Denken zog sich durch mein Leben schon lang
Verklompizierte vieles was einfach sonst wäre wagte
Einer von den vielen in mir sich zu entscheiden wie
Dabei auch örtlich zu bleiben für immer noch wohl

So blieb ich hier wie dort immer heimatlos dafür
Liebe ich die Orte ob sie nun Heimat mir sind
Oder historischer Quell schöner Gedanken noch
Manchmal auch ein Netz verlorener Lieben überall

Die Orte aber blieben was sie waren mir wenn
Es eine Liebe zu ihnen und nicht nur zu denen
Dort zufällig war die kommen und gingen so
Liebe ich heute mehr denn je die Orte nur

Sie blieben suchten nie Streit wollten weder Geld
Noch Zuwendung wenn es mir lästig war oder
Aufmerksamkeit während ich meine Ruhe wollte
Wandte mich ihnen zu wenn ich es gerade wollte

Die Liebe zu den Orten die mir lagen blieb trotz
Aller sonst Ablenkung oder vermeintlicher Untreue
Füllte sie mein Herz mit soviel Glück wie Bücher
Wenn ich sie frisch erhalten erstmals durchblättere

So blieb ich heute bei ihnen und den Büchern
Die nahezu allen Frauen verglichen zwar viel
Weniger Sex haben aber dafür um so mehr
Gelassenheit in der Treue ihrer Liebe immer

Vermutlich denkt der Liebhaber der Orte
Genau wie jener der Bücher wird dieser
Sex ohnehin völlig überschätzt lebt es sich
So auf Dauer viel friedlicher glücklich noch

Es bleibt also die Idee vom Weltfrieden wohl
Frage mich ob dieser asexuell wäre oder
Die Lust natürlich Priorität immer uns hat
Wo nicht nichts bleibt aber was weiß ich schon
jens tuengerthal 1.10.2016

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