Freitag, 9. September 2016

Kulturgeschichten 0353

Grafenfreiheit

"Die ganze Sache ist die, daß die Menschen glauben, es gebe Situationen, in denen man mit den Menschen ohne Liebe umgehen dürfe; solche Situationen gibt es aber nicht!"

"Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; jede unglückliche Familie jedoch ist auf ihre besondere Weise unglücklich."

"Die Ausschweifung beruht nicht auf irgendetwas Physischem - physische Unanständigkeit ist bei weitem noch keine Ausschweifung; die Ausschweifung besteht gerade darin, dass der Mann sich von jeglicher moralischen Beziehung zu der Frau, mit der er in physischen Verkehr tritt, für frei hält."

"Sobald man annimmt, das Leben der Menschheit könne durch Vernunft gelenkt und geleitet werden, macht man das Leben als solches unmöglich."

"Ja ich bin dumm gewesen; ich glaubte noch an Menschen und liebte sie und opferte mich für sie auf. Aber Erfolg haben in der Welt nur diejenigen, die schändlich und nichtswürdig sind."

"Man möchte sagen, die Menschheit habe die Gebote ihres göttlichen Erlösers vergessen, der uns doch gehießen hat, einander zu lieben und Beleidigungen zu verzeihen, und suche nun ihr größtes Verdienst in der Kunst, sich wechselseitig zu morden."

"Alles, was in die Tiefe geht, ist klar bis zur Durchsichtigkeit."

"Beim Lesen lässt sich vortrefflich denken."

"Das Wichtigste ist das Eigentum an Land. Wäre festgelegt, dass es kein Eigentum an Land gibt und das Land dem gehört, der es bearbeitet, so wäre dies die dauerhafteste Garantie der Freiheit."

Es gibt Menschen, die ein Stück Land ‚Mein‘ nennen, und dieses Land nie gesehen und betreten haben. Die Menschen trachten im Leben nicht danach zu tun, was sie für gut halten, sondern danach, möglichst viele Dinge ‚Mein‘ zu nennen.“

"Dass die Regierung das Volk vertrete, ist eine Fiktion, eine Lüge."

"Die Musik ist die Stenographie des Gefühls."

"Gemeinsam stirbt es sich leichter."

"Man kann nicht für sich allein leben. Das ist der Tod."

"Nirgends ist Konservatismus so schädlich wie in der Kunst."

"Romane schließen damit, dass Held und Heldin heiraten. Damit müsste man anfangen, aufhören aber damit, dass sie sich wieder trennen, das heißt befreien. Denn das Leben von Menschen so beschreiben, dass man mit der Schilderung der Hochzeit abbricht, ist nicht anders, als beschriebe man die Reise eines Mannes und bräche den Bericht an der Stelle ab, wo er Räubern in die Hände fällt."

"Wie viel Mühe kostet die Niederschlagung und Verhütung von Aufständen: Geheimpolizei, andere Polizei, Spitzel, Gefängnisse, Verbannungen, Militär! Und wie leicht sind die Ursachen für Aufstände zu beseitigen."

"Zu lieben ist Segen, geliebt zu werden Glück."

Ein revolutionärer Geist war dieser Graf
Der am 9. September 1828 geboren wurde
Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi der wohl
Berühmteste der russischen Romanautoren

Was machte ihn zum Befreier der Bauern
Findet sich dies in seinem Werk wieder
Wie befreite sich der Sohn eines Grafen
Wie einer Fürstin Wolkonskaja selbst

Der als viertes von fünf Kindern geborene
Leo Tolstoi wurde mit neun Jahren Vollwaise
Worauf die Schwester des Vaters noch weiter
Für ihn sorgte auf dem väterlichen Gut

Mit 16 Jahren begann er das Studium der
Orientalischen Sprachen das er bald für
Die Jurispudenz abbrach die er bis 19 noch
Studierte um sich um das Gut zu kümmern

Ob er wirklich Studienabbrecher ist oder doch
Noch irgendeinen Abschluss machte ist unklar
Wenn machte er wohl nur mit knapper Not noch das
Juristische Examen widmete sich lieber dem Land

Während des Militärdienstes in der zaristischen
Armee erlebte er den Krieg im Kaukasus wie den
Krimkrieg von 1854 aus dem ihn die Sewastopoler
Erzählungen 1855 erstmals bekannt machten

Seit 1855 lebte der Graf abwechselnd auf dem Gut
Wie in Moskau und Petersburg machte jedoch 1857
Wie 1860 Reisen nach Westeuropa zur Bildung bei
Denen er Dickens Turgenew und Diesterweg traf

Nach seiner Rückkehr wendete er sich verstärkt
Den reformpädagogischen Bestrebungen zu
Gründete dazu Dorfschulen nach dem Vorbild
Rousseaus auf seinen Gütern als Anfang

Er schrieb dafür Lesebücher die Geschichten zu
Geschichte Physik Biologie und Religion enthielten
Wollte damit moralische und soziale Werte vermitteln
Generationen russischer Schüler lernten damit

Seine Schulbücher enthielten auch noch viele
Reformpädagogische Konzepte die später andere
Wie etwa Summerhill beeinflussten noch weiter
Auf die Bewegung freier Schulen wirkte

Tolstoi heiratete 1862 und bekam mit seiner Frau
Die er bis fast zum Ende nie verließ noch 13 Kinder
In der Ehe begann er seine monumentalen Romane
Wie Krieg und Frieden und Anna Karenina zu schreiben

Zu dieser Zeit erkannte er was er noch mehr liebte
Als das Gute nämlich den Ruhm den er errang
Doch begann mit der Anerkennung auch für ihn
Eine Phase der Orientierungslosigkeit am Abgrund

Er weitete seine Sinnsuche immer weiter aus
Verzichtete auf Alkohol Rauchen und die Jagd
Die er ein grausames Vergnügen nun nannte
Wurde dann sogar moralischer Vegetarier

Neben seinem moralischen Leben bei dem nur
Fraglich war wieviel Lust ihm noch blieb setzte
Er sich immer wieder auch erfolgreich für die
Politisch und religiös Verfolgten im Land ein

Tolstoi setzte sich intensiv mit der Religion
Wie den Formen in der sie Kirchen lebten
Auseinander und lehnte die Institution ab
Stellte ihr die schlichte Jesu gegenüber

Auf seine Achtung im Ausland folgte die
Ächtung im Inland seine Schriften wurden
Teilweise verboten für Auferstehung dann
Exkommunizierte ihn der Heilige Synod

Doch zeigte sich Tolstoi darauf wenig reuig
Betonte im Gegenteil die Lehre der Kirche
Sei eine widersprüchliche und schädliche
Lüge fast alles sei Aberglauben und Magie

Der Graf lehnte den Sozialismus als eine
Neue Diktatur des Proletariats ab er setzte
Sich lieber für Nächstenliebe wie radikale
Gewaltlosigkeit ein stand Anarchisten nah

Mahatma Gandhi widmete seine Broschüre
Indische Selbstverwaltung dem Grafen Tolstoi
Auch die erste in Transvaal in Südafrika noch
Gegründete Siedlung nannte er nach Tolstoi

Kurz vor seinem Ende zerstritt er sich auch
Noch mit seiner Frau die sich weigerte den
Dem russischen Volk vermachten Besitz
Am literarischen Erbe so anzuerkennen

Daraufhin brach der bereits Achtzigjährige
Mit Arzt und Tochter auf und reiste mit
Der offenen Eisenbahn gen Süden wobei er
Sich die tödliche Lungenentzündung holte

Nach seinem Tod kaufte die Tocher welche
Alleinerbin des literarischen Nachlasses war
Der Mutter die Güter ab und übergab sie
In Bauernhand erfüllte Tolstois Wunsch

Ob er stolz auf Putin Russland wäre oder
Den Oligarchen die Macht lieber nähme
Wissen wir nicht auch wenn sich manches
Seit seiner Beschreibung wenig änderte

Tolstoi war radikal in manchem dogmatisch
Verirrte sich in teilweise extremen Sichten
Doch blieb zeitlebens ein Suchender der
Sich kritisch mit der Welt beschäftigte

In vielem seiner Zeit voraus schuf er zeitlos
Schöne Romane die bis heute aktuell sind
Ob nun Auferstehung oder Krieg und Frieden
Menschlich nahe gehen wie Anna Karenina
jens tuengerthal 9.9.2016

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen